Die Organisation Reporter ohne Grenzen zeichnet ein düsteres Bild von der Medienlandschaft in Russland. Seit kurzem hält sie mit einem eigenen Fernsehsender dagegen.
In Russland sitzen nach Angaben von Reporter ohne Grenzen derzeit 50 Journalistinnen und Journalisten hinter Gittern. Mehr als 1.000 Medienschaffende seien in den vergangenen Jahren ins Exil gegangen, teilte Reporter ohne Grenzen am Dienstag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit. In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit belege das Land Rang 171 von 180 Staaten, so der zuständige Experte von Reporter ohne Grenzen, Birger Schütz.
“Seit dem Beginn der russischen Vollinvasion in die Ukraine im Februar 2022 besteht im Land praktisch keine Medienfreiheit mehr”, so Schütz. Eine Reihe neuer repressiver Gesetze mache unabhängige Berichterstattung praktisch unmöglich. “Kritische Berichterstatter werden als ausländische Agenten eingestuft, Medien als unerwünschte Organisationen juristisch verfolgt, die Kontrolle des Internets verschärft.” Zudem bleibe Gewalt gegen Medienschaffende weitgehend straffrei. Das alles habe dazu geführt, dass nahezu sämtliche unabhängige Medien im Land ihre Arbeit eingestellt hätten.
Die russische Medienwelt werde stattdessen von staatlichen Propagandamedien dominiert, so der Vertreter von Reporter ohne Grenzen. Dies seien in erster Linie Fernsehsender wie Perwij Kanal, Rossija 1 und Russia Today. Etwa 70 Prozent der Bevölkerung bezögen aus dem TV ihre Nachrichten.
Anfang Juni präsentierte Reporter ohne Grenzen in Paris gemeinsam mit der Witwe von Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja, den neuen Fernsehsender Russia’s Future. Der Sender soll das Vermächtnis des in russischer Haft ermordeten Oppositionsführers bewahren und die Pressefreiheit in Russland stärken. Das Angebot kombiniere investigative Inhalte mit Programmen zur Förderung demokratischer Werte und journalistischer Integrität, erläuterte Schütz.
Im Vergleich zu den TV-Sendern spielten Nachrichtenagenturen wie RIA Nowosti und Tass eher in der zweiten Liga, urteilte der Experte von Reporter ohne Grenzen. “Im Ton und Sprache sind die Verlautbarungen gemäßigter als die sehr reißerische Berichterstattung der TV-Sender. Das ändert inhaltlich aber nichts daran, dass auch die Tass zu hundert Prozent auf Kreml-Linie liegt.” Die Tass wurde vor 100 Jahren, am 10. Juli 1925, gegründet.