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In Paris kehrte der Maler Monet der Tradition den Rücken zu

Im Jahr 1867 malte Claude Monet drei Paris-Bilder. Vom Balkon des Louvre aus. Es waren die ersten impressionistischen Stadtansichten. In der Alten Nationalgalerie in Berlin erleben sie nun ihre Europa-Premiere als Trio.

Eigentlich war es in der Mitte des 19. Jahrhunderts üblich, dass Nachwuchskünstler eine Zeit im Louvre verbringen, um die Werke der Alten Meister zu kopieren. Der Maler Claude Monet (1840-1926) machte es anders. Im Jahr 1867 klopfte er zwar auch bei dem berühmten Pariser Kunst-Museum an – doch in anderer Intention. Als man ihm den Einlass zur Arbeit gewährt hatte, begab er sich auf den Balkon des Louvre, um von dort aus das pulsierende Pariser Leben zu malen. Er öffnete die Fenster.

Damit, so der scheidende Direktor der Alten Nationalgalerie in Berlin, Ralph Gleis, habe Monet der kunsthistorischen Tradition buchstäblich den Rücken zugekehrt und sich “ein neues Motiv zu eigen gemacht”, das für spätere Maler stilbildend wurde: Die Dynamik des Stadtlebens, die “Begeisterung für das Gegenwärtige”.

Die Ausstellung “Monet und die impressionistische Stadt”, welche ab Donnerstag in der Alten Nationalgalerie zu sehen ist, zielt genau auf diesen Moment des Rücken-Zukehrens. Im Mittelpunkt der von Gleis und Josephine Hein kuratierten Ausstellung stehen die drei “Balkon-Gemälde” Monets, die einen neuen künstlerischen Blick auf die moderne Stadt werfen: “Saint Germain l’Auxerrois”, “Jardin de l’Infante” und “Quai du Louvre”.

Keine mittelalterlich engen, dunklen Winkel sind auf den Gemälden zu sehen, sondern breite Boulevards und helle, offene Plätze. Sommerliche Szenerien mit entspannten Flaneuren, die mit leichter, schneller Hand aufgetragen sind. Sie repräsentieren das sich emanzipierende Bürgertum. Denn nicht nur auf dem Balkon des Louvre fand damals ein Perspektivwechsel statt, sondern praktisch in der ganzen Stadt.

Paris wollte unter Napoleon III. und dem Präfekten Georges-Eugene Haussmann zeigen, wie modern es war, wie fortschrittlich. Nicht nur mit der Weltausstellung von 1867, sondern auch mit zahlreichen städtebaulichen Änderungen. Monet, der sich zuvor eher auf ländliche Motive konzentriert hatte, ließ sich von dieser Erneuerungswelle im Sog der Industrialisierung mitreißen. Vielleicht auch, weil er auf diese Weise hoffte, endlich den großen Durchbruch in Paris zu erleben. Doch bis dahin sollte noch etwas Zeit vergehen, auch über die ersten Ausstellungen der “Impressionisten” ab 1872 hinaus.

Die Hauptcharakteristika von Monets hyperrealistischem Tupfer-Stil sind auf dem Paris-Trio von 1867 aber schon zu erkennen. Auch im Vergleich zu anderen Malern wie Camille Pissarro (1830-1903), Auguste Renoir (1841-1919), Gustave Caillebotte (1848-1894) oder auch Henri Matisse (1869-1954), von denen ebenfalls Stadt-Gemälde in der Ausstellung gezeigt werden. Monet ist klar als Vorläufer erkennbar.

Wie schnell und frei sich Monet entwickelte, zeigt das Gemälde “Die Rue Montorgueil, in Paris. Feierlichkeiten zum 30. Juni 1878”, das in der Ausstellung auch zu sehen ist – ebenso wie in einem separaten Raum Landschaftsbilder des Malers. Auf der “Rue Montorgueil” sieht man ein Fahnenheer in Blau-Weiß-Rot, das sich mit großer Dynamik ins Pariser Stadtbild hineindrängt, wie eine Formation bunter Vögel. Monets künstlerisches Wagnis hatte sich inzwischen gefestigt.

Dass das Trio der Louvre-Bilder von 1867 nun zum ersten Mal zusammen in Europa zu sehen sei, betont Gleis. Zurecht. Normalerweise befinden sich die Werke einzeln in der Sammlung der Nationalgalerie, im Allen Memorial Art Museum am Oberlin College (Ohio, USA) und im Kunstmuseum Den Haag. Die Kooperation der drei Häuser ermöglicht die Wiedervereinigung der bedeutenden Gemälde.

Einen helleren und unbeschwerteren Abschied von Berlin hätte sich der gefeierte Nationalgalerie-Direktor Gleis nicht ausdenken können. “Es ist eine Ausstellung, die Paris feiert und einen besonderen Moment der Kunstgeschichte würdigt”, sagte er am Mittwoch in Berlin vor Journalisten. Man könne den Sommer mit Hilfe dieser Ausstellung, die bis zum 26. Januar 2025 läuft, etwas verlängern. Gleis hat dann bereits seine neue Stelle als Chef der Wiener Albertina angetreten.