Die Urlaubszeit steht vor der Tür. Zur Planung einer gelingenden Reise gehört die Vorbereitung. Ab diesem Jahr kann ich mir einen Gang sparen: Ich brauche mich nicht mehr darum zu kümmern, wie ich mit meinem Smartphone im Ausland zu Recht komme. Die Roaminggebühren fallen – je nach Vertragspartner – weg, und ich kann in vielen Ländern Europas im Internet surfen.
Was bedeutet das für meine Ferien? Noch mehr Digitalität, noch mehr Kampf mit den Kindern, noch weniger Abstand zur Arbeit?
Zunächst bestätigt sich eines: Wir leben in einer digitalen Welt. Das Internet ist das sogenannte Leitmedium unserer Zeit geworden. In vielerlei Weise hat es die Zeitungen und das Fernsehen abgelöst.
Als Leitmedium greift das Internet auf bereits vorhandene Möglichkeiten zurück. Es präsentiert uns die Nachrichten und ersetzt längst für so manchen die Zeitung. Es liefert uns den Wetterbericht und hat als Nachschlagewerk das Lexikon abgelöst. Das Internet ist gesellschaftlich die Numer Eins geworden. Ohne dieses Medium fühlen wir uns nicht richtig wohl, es fehlt uns etwas. Genau dieses Bedürfnis macht es zum Leitmedium und es wird sehr lange als solches unangefochten sein.
Es gibt noch ein weiteres Argument: Das Netz ist immer und uneingeschränkt verfügbar. Wir müssen nicht, wie früher, erst viele Kilometer fahren, bis wir die deutschsprachige Zeitung von gestern erhalten. Wir haben alles, was uns interessiert, immer aktuell. Wir verpassen nichts, wenn wir nicht wollen, haben alle Sportergebnisse und alle Lokalnachrichten aus unserer Heimat. Sind eben immer up to date.
Zudem können wir unbegrenzt unsere Familien und Freunde an unserem Urlaub teilhaben lassen. Wir laden Fotos im Sozialen Netzwerk hoch und schicken diese in die Heimat oder dorthin, wo unsere Liebsten sich auch immer gerade befinden.
Ob das erstrebenswert ist? Viele klagen über die Allpräsenz des Internets und sind nicht glücklich, dass sie jetzt auch im Ausland ständig „online“ sind. Muss das so sein? Will ich das? Ist das gut?
Wie mit allen Dingen entscheiden wir selbst, was wir für nützlich oder angemessen halten. Wir entscheiden, wieviel wir essen oder trinken, und wir entscheiden auch, wie lange wir im Internet unterwegs sind. Bevor wir uns also über die Möglichkeiten beklagen, sollten wir uns selbst fragen, wie will ich mein Verhalten in der digitalen Welt gestalten.
Jetzt, wo die „Allgegenwärtigkeit“ der Digitalität quasi erreicht und sichergestellt ist, muss ich für mich anfangen und mich damit auseinandersetzen, wie ich, wie meine Familie, wie mein berufliches Umfeld damit umgehen möchte. Ich muss mir eine Haltung erarbeiten, die angemessen und schützend ist.
Im Urlaub die beruflichen E-Mails zu öffnen ist bedenklich. Eine Abwesenheitsnotiz, die dem Absender mitteilt, wann ich wieder erreichbar bin, ist da ein guter Schutz. Auch möchte ich nicht ständig in sozialen Netzwerken unterwegs sein. Ich schicke zwischendurch mal einen Gruß an Einzelne oder alle, und ich schreibe ganz bewusst eine Postkarte. Bin ich nostalgisch? Vielleicht, aber alle, die eine Karte erhalten, freuen sich ja auch mächtig.
Da ich nicht ständig alle über den Verlauf meines Urlaubs informiere, erhalte ich mir die persönlichen Kontakte in der Zeit danach. Wir treffen uns, essen miteinander, schauen Fotos und tauschen uns miteinander aus. Würde ich ständig schon alles per „WhatsApp“ raushauen, wären diese wunderbaren Abende wahrscheinlich überflüssig.
Was ich aber gerne tue und wofür ich das Internet im Urlaub nutze, das sind Reiseinformationen. Ich finde mit dessen Hilfe heraus, was reizvoll und interessant ist, ich schaue, ob es ein tolles Konzert gibt oder welche Öffnungszeiten die Sehenswürdigkeiten haben. Das macht mir Spaß. Und: Es ist begrenzt. Hier schätze ich das Netz als Reisebegleiter. In dieser Funktion fungiert das Internet als Blick nach vorn, ist dem Urlaub dienlich. Davon lassen sich auch Kinder und Jugendliche ansprechen.
Wir werden nicht darum herumkommen, uns eine eigene Haltung im Umgang mit dem Leitmedium Internet zuzulegen. Hilfreich erscheint es, dabei zwischen alltäglichem Gebrauch und privater Nutzung zu unterscheiden. Für den Urlaub braucht es ein eigenes Verhältnis von Nähe und Distanz. Dann scheint das Netz ein hilfreiches Medium zu sein, das uns unterstützt und nicht gängelt.
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Immer und überall verfügbar
Das Internet ist zum Leitmedium unserer Zeit geworden: Überall und jederzeit verfügbar gibt es aktuelle und umfassende Informationen. Aber die ständige Information kann auch zur Belastung werden. Kleiner Leitfaden für den Umgang in Alltag und Urlaub

Jens Schlueter/epd