Er hat Fernsehformate ins Leben gerufen, die noch heute erfolgreich sind: die klassische Krimiserie „Tatort“ und die erste deutsche Talkshow „Je schöner der Abend“ (1973). In seiner Zeit beim WDR förderte Günter Rohrbach gleichzeitig die frühen Werke des deutschen Autorenfilms. Und mit dem Kriegsfilm „Das Boot“ und der Mediensatire „Schtonk!“ legte er aufwendige Kino-Kassenknüller vor. Am 23. Oktober wird Rohrbach, der von 2003 bis 2010 gemeinsam mit der Schauspielerin Senta Berger Präsident der Deutschen Filmakademie war, 95 Jahre alt.
Der gebürtige Saarländer hat in seiner Karriere immer Unterhaltung mit Ambition verbunden. Und er war auch immer bereit, seinem Publikum, ob es vor der Mattscheibe saß oder im Kinosessel, etwas zuzumuten und neue Wege zu beschreiten. Wie viele seiner Generation, die in den 1960ern in die Redaktionen und Institutionen drängte, kam Rohrbach vom Schreiben: Nach seiner Promotion in Germanistik (über Grimmelshausens „Simplicius Simplicissimus“) volontierte er beim Bonner „General-Anzeiger“. Außerdem schrieb er Filmkritiken für die 1957 gegründete Zeitschrift „Filmkritik“, die sich als ein Sprachrohr in Sachen Film gegen das etablierte Feuilleton verstand – und die Partei nahm für den jungen deutschen Film, der sich 1962 mit dem „Oberhausener Manifest“ vehement zu Wort gemeldet hatte.
1961 wechselte er zum WDR und leitete den Aufbau des Dritten Programms; 1965 wurde er Fernsehspielchef des Senders. Die TV-Landschaft hatte bis dahin nur aus dem Ersten Programm (ARD) und dem seit 1963 sendenden ZDF bestanden.
Die Arbeit in den Sendern war geprägt von einer großen Aufbruchstimmung, vieles konnte man durchsetzen, das später nicht mehr möglich war. Rohrbachs Arbeit stand unter dem Zeichen der Innovation. Er hat die zeit- und medienkritischen Fernsehspiele „Das Millionenspiel“ (1970) und „Smog“ (1973), deren Drehbücher Wolfgang Menge schrieb, auf den Weg gebracht. Und er sorgte dafür, dass experimentierfreudige Regisseure wie Peter Zadek im Studio inszenierten (Tschechows „Kirschgarten“, 1966).
Als er 1972 auch Unterhaltungschef des WDR wurde, betrat er wieder Neuland: etwa mit der ersten Talkshow des deutschen Fernsehens „Je später der Abend“ mit Dietmar Schönherr und der ersten Sitcom „Ein Herz und eine Seele“ mit Heinz Schubert als reaktionäres „Ekel Alfred“. Sie wurde zu einem Kultereignis nicht nur der 1970er Jahre. Gegen viele Widerstände setzte Rohrbach den Ankauf der US-amerikanischen Serie „Holocaust“ durch, die – 1979 ausgestrahlt – einen neuen Umgang mit den nationalsozialistischen Verbrechen in Deutschland und unsere heutige Erinnerungskultur einläutete.
Rohrbach, geprägt durch die französische Nouvelle Vague und ihren realistischen Blick auf die Welt, hat den Regisseuren und Regisseurinnen des neuen deutschen Films eine Chance gegeben. Er hat Filme von Rainer Werner Fassbinder (die Serie „Acht Stunden sind kein Tag“, 1972), Wim Wenders („Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“, 1972) oder Helma Sanders-Brahms („Shirins Hochzeit“) produziert. Der Dokumentarfilm „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ von Rosa von Praunheim sorgte für einen veritablen Skandal: Bei der Ausstrahlung im Ersten 1973 schaltete sich der Bayrische Rundfunk aus und sendete stattdessen den finnischen Spielfilm „Benzin im Blut“.
1979 wechselte Rohrbach als Leiter zur Bavaria bei München, einer Studiogesellschaft, an der der WDR beteiligt war. Die Verfilmung von Lothar Günter Buchheims „Das Boot“ wurde zu seinem größten Werk, mit 33 Millionen Mark Budget das bis dato größte Projekt des deutschen Films und Fernsehens. Wolfgang Petersen setzte die Feindfahrt der U-96 als klaustrophobische Odyssee um. Die damalige Filmkritik mochte den Film nicht, aber verglichen mit den in den vergangenen Jahren folgenden vier Staffeln der „Boot“-Serie ist er gerade in seinem Verzicht auf Schwarzweißmalerei und ein eindeutiges Gut-Böse-Schema ein beispielgebendes Meisterwerk. 5,8 Millionen Besucher hatte der Film an den Kinokassen, es folgte eine vierteilige Serie im TV.
Für Rohrbach war der Film auch ein gelungenes Beispiel für den „amphibischen Film“, für den er 1973 in einem Artikel im Fachdienst „epd Kirche und Film“ plädiert hatte: Kinofilme, die mit Mitteln des Fernsehens entstehen – eine bis heute übliche Praxis, die Rohrbach selbst eingeläutet hatte. Heute weiß man, dass dieses Zusammenspiel durchaus seine Tücken hat, dass die Erfordernisse des Fernsehens andere sind als die des Kinos und der Einfluss von Fernsehsendern der Kreativität nicht immer förderlich ist.
Rohrbachs Zeit bei der Bavaria war geprägt von Großprojekten: Fassbinders monumentale Fernsehserie „Berlin Alexanderplatz“ (1980) etwa, Wolfgang Petersens Science Fiction „Die unendliche Geschichte“ (1984) oder Dominik Grafs grandioser Polizeifilm „Die Sieger“ (1994).
Bis kurz vor seinem 90. Geburtstag war Rohrbach als Produzent aktiv, mit Filmen wie „Anonyma“ (2008) oder „Die andere Heimat“ (2013). Seit 2011 vergibt seine Heimatstadt Neunkirchen im Saarland den Günter Rohrbach Filmpreis. Erster Preisträger war Christoph Hochhäuslers „Unter Dir die Stadt“ – ein strenger Großstadtfilm, der auch gut zu Rohrbach gepasst hätte.