Von Katharina CemingGott ist Mensch geworden. Dieser schlichte Satz beschreibt wie kaum ein anderer den Grundgedanken der christlichen Heilsbotschaft. Vermutlich ist Weihnachten deshalb zum beliebtesten Fest der Christenheit aufgestiegen, obwohl die Kar- und Ostertage theologisch betrachtet bedeutender sind. Jedes Jahr zu Weihnachten feiern wir aufs Neue, dass Gott menschliche Gestalt annahm und mitten in diese Welt trat. Weihnachten ist das Geburtstagsfest Jesu. Der 25. Dezember als Festtag lässt sich aber erst seit dem 3./4. Jahrhundert nach Christus nachweisen, denn in den ersten Jahrhunderten feierten die Christen vor allem Ostern. Wenn wir dieses Jahr wieder am 25. Dezember in unseren Familien und in den Gemeinden die Gottesgeburt Jesu feiern, ist uns in den seltensten Fällen bewusst, dass wir heute einen wesentlichen Aspekt des Weihnachtsfests aus dem Blick verloren haben. In der antiken und mittelalterlichen Kirche wurde zu Weihnachten nämlich nicht nur die göttliche Geburt aus dem Vater und die fleischliche aus der Mutter, sondern auch die geistige aus dem eigenen Herzen gefeiert. Übertragen bedeutet dieser letzte Teil nichts anderes, als dass Gott sich im Herzen eines jeden Gläubigen gebiert, eine Vorstellung, die viele Christen heute vermutlich irritiert. Doch hierbei handelt es sich wie gesagt um eine sehr alte Tradition innerhalb des Christentums, die wir bis in die Zeit der Kirchenväter ins 2./3. Jahrhundert zurückverfolgen können. In der frühen Vätertradition waren die christlichen Theologen davon überzeugt, dass Gott Mensch geworden sei, damit der Mensch selbst Sohn Gottes werde. Die Geburt Gottes in Menschengestalt dient demnach nur einem Zweck: dass wir dieses Ereignis in uns lebendig machen und uns so von Gottes Liebe berühren lassen, damit wir selbst zu diesem Sohn werden. Bischof Irenäus bildet mit seiner Interpretation des Ereignisses der Gottesgeburt keine Einzelmeinung. Wir finden auch bei anderen bedeutenden Theologen der ersten Jahrhunderte Stellen, die eine ganz ähnliche Haltung zeigen. Dass diese Lehre keine Erfindung dieser Theologen war, sondern an die biblische Tradition anknüpft, zeigt ein Blick in den Galaterbrief 2,20, wo Paulus erklärt: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“ Paulus selbst griff in seiner Lehre wiederum die urjesuanische Aussage von der Gotteskindschaft aller Menschen auf. Ein jeder von uns ist Kind Gottes. Diese äußerst befreiende und heilvolle Lehre wurde im Lauf der folgenden Jahrhunderte leider durch die Erbsündenlehre überlagert. Weiterlesen
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Im Seelenfunken
In der Alten Kirche wurde zu Weihnachten nicht nur die Geburt Jesu, sondern auch die göttliche Geburt im eigenen Herzen gefeiert.