Im staubigen Innenhof der Karawanserei flackert ein kleines Feuer. In der Asche daneben steht ein rußiger Wasserkessel, und über den Flammen wölbt sich ein Metallblech. Durch den Hof zieht der Duft nach frisch gebackenem Brot. Die Beduinin im blauen Gewand mit den reichen Stickereien auf der Brust backt Fladen für die Händler, die sich von ihrer Reise unter sengender Wüstensonne nun ausruhen können.
Das „Heilige Land“ an der niederländischen Grenze
Gut, ganz so heiß brennt die Sonne heute nicht vom Himmel, und es ist auch keine Karawane angekommen, sondern eine Schulklasse: Aber so ähnlich mag es zugegangen sein, wenn die Gewürzhändler zur Zeit Jesu nach anstrengendem Tagesmarsch Station machten. Dieses „Heilige Land“ liegt knapp hinter der niederländischen Grenze: Wüste, Beduinenzelte, orientalische Häuser und Gassen, Bethlehems Hirtenfelder, der See Genezareth, sogar der Ölgarten lassen eintauchen in das Palästina zur Zeit Jesu.
Pastor Arnold Suys hat es 1911 hierher geholt: Wer nicht selbst nach Palästina reisen konnte, sollte dennoch die Orte erleben können, an denen Jesus gewirkt hat. Gemeinsam mit dem Künstler Piet Gerrits und dem Architekten Jan Stuyt bauten sie die Orte nach, an denen Jesus sich aufgehalten hat. Angelegt war es ursprünglich als „katholischer Andachts- und Prozessionspark“, in dem Mönche eine Art Bibelunterricht hielten. „Glaubensunterricht“ kann man heute noch bekommen, aber der Horizont hat sich erweitert. Statt ausschließlich der christlichen hat sich der Park den drei großen monotheistischen Weltreligionen geöffnet, und Besucher erfahren vieles über Christentum, Judentum und den Islam. Der Park umfasst ein jüdisches Dorf, ein arabisches Dorf, die „römische Straße“ und die Karawanserei mit den vorgelagerten Beduinenzelten.
Yvonne de Graut ist eine von etwa 150 Ehrenamtlichen, die dieser Welt auf 45 Hektar Leben einhauchen. Leise klimpern die Metallmünzen an ihrem Stirnband, während sie die gebackenen Fladenbrote mit Holzschabern zertrennt, um sie ihren Gästen anzubieten. Seit vier Jahren kommt sie zweimal pro Woche hierher. „Dann werde ich zur Beduinin“, erzählt die 59-Jährige begeistert.
Ihre Freundin Josephine Everraert schlüpft schon seit 15 Jahren in diese Rolle. Wer möchte, kann sich von ihr ein Henna-Tattoo auf die Hand zeichnen lassen. Jeder bekommt ein Stück Brot angeboten. An manchen Tagen verbacken die Frauen ein Kilo Teig zu den hauchdünnen Fladen. Dazu gibt es ein Glas Kräutertee aus Pfefferminze, Anis, Fenchel, Thymian, Salbei und Zitronenmelisse. Die Zutaten dazu kommen aus dem jüdischen Dorf „Beth Juda“.
In der Synagoge werden die Kinder still und andächtig
Eng schmiegen sich die Lehmhäuser aneinander. Man kann einen Blick in „Marias Haus“ werfen, eine schlichte Hütte, in der Menschen und Tiere unter einem Dach lebten. Schmale Gassen und Treppen führen auf einen kleinen Marktplatz, an dem die geöffnete Tür in eine Synagoge lockt. Geprägt ist der Raum vom Toraschrein und der kunstvoll geschnitzten Bima, dem erhöhten Lesepult, auf das der Rabbi zur Auslegung der Tora steigt. Aus Lautsprechern dringen leise jüdische Gebetsgesänge. Die quirligen Kinder betreten den Raum, werden still und blicken in eine ganz andere Welt.
Die Schauplätze, die die ersten Besucher vor über hundert Jahren an Jesu Leben heranführten, gibt es heute noch, über das Museum verteilt: Lebensgroße Figuren, die sein Leben illustrieren. Hirten etwa, die Schafe hüten. Eine kleine Felsgrotte, in der die Geburtsszene Jesu dargestellt ist. Aber die von Piet Gerrits geschaffenen Figuren sind etwas in den Hintergrund getreten.
Am See Genezareth vorbei gelangen Besucher in das Arabische Dorf, das 1975 ursprünglich als Fischerdorf angelegt worden war. Ein Fischerdorf ist es heute noch, und Josefs „Zimmermannshaus“ mitsamt Werkstatt ist weiterhin zu besichtigen. Aber nun eben auch eine Moschee. 2008 wurde das Dorf umgebaut nach dem Vorbild des Fischerdorfes Mirbat im Oman: Jenes war schon zu alttestamentlicher Zeit ein wichtiger Ort für den Nahen Osten.
„Was gibt es im arabischen Dorf nicht zu kaufen: Warme Winterstiefel, kostbaren Schmuck oder Weihrauch?“ – fröhlich durchstreifen Kinder die Häuser und Gassen, suchen nach Antworten für die Aufgaben auf ihrem Fragebogen und scheuen sich nicht, die „Bewohnerinnen“ anzusprechen. Die Studentin Valerie Uiterwaal ist dafür in türkisfarbene Pluderhosen, Bluse und Kopftuch geschlüpft, hat es sich auf einer Terrasse gemütlich gemacht, auf der Hocker zum Ausruhen einladen. Sie beantwortet geduldig alle Fragen. Etwa nach der Rezeptur für den Tee, den sie kocht. „Ich mag die Arbeit“, erzählt die 26-Jährige, die dreimal die Woche in den Museumspark kommt. „Es macht mir Spaß, in andere Rollen zu schlüpfen und mit Menschen ins Gespräch zu kommen!“
Ehrenamtliche haben Spaß an Geschichte
Sie wechselt gerne die Stationen, springt mal hier, mal da ein. Im Gegensatz zu Ge Denbok, der von Herzen römischer Zenturio ist und vor allem kleinere Besucher gerne mit inszenierten Schwertkämpfen beeindruckt. Geschichte macht dem 62-Jährigen Spaß, die römische erst recht. Es gibt eine römische Taverne, in der sich Museumsgäste stärken können, eine Korbflechterei, Bildhauerei und Räucherei: Das antike Alltagsleben pulsiert. Hinter den Fassaden blicken Besucher in Kulträume römischer Gottheiten, jedoch auch in ein ägyptisches und ein griechisches Wohnhaus. Die Ehrenamtlichen füllen Gebäude und Straßen täglich mit Leben, was den besonderen Reiz des Museums ausmacht.