Wenn zu Weihnachten Familien und Großfamilien zusammenkommen, sind zwischen hohen Erwartungen an das Fest, Geschenken, Christbaum und Weihnachtsbraten Konflikte oft programmiert. Dem Evangelischen Pressedienst (epd) verraten Experten, wie sich der Frieden in den Weihnachtstagen leichter aufrechterhalten lässt und warum man trotzdem nicht auf jeden Streit verzichten sollte.
Der stellvertretende Präsident der niedersächsischen Psychotherapeutenkammer, Jörg Hermann, empfiehlt angesichts der oft hohen Erwartungen, schon vor dem Fest Absprachen zu treffen. Wer vorher schon festlege, wo und wie Weihnachten gefeiert werde und ob vielleicht auch neue Traditionen begonnen werden sollten, vermeide oft die Enttäuschung und zusätzlichen Stress an den Feiertagen. „Weihnachten ist nicht wie die Geburt oder die Konfirmation ein einmaliges Ereignis, sondern wir können jedes Jahr neu überlegen, wie wir das Fest künftig feiern wollen.“
Die Selbstfürsorge schon in den Tagen vor Weihnachten sei ebenfalls bedeutsam für die Harmonie, unterstreicht Hermann. Daher helfe es, vorher die Erwartungen an die Feiertage für sich zu klären und zu kommunizieren und auch die eigenen Bedürfnisse zu erkennen. „In der Regel eskalieren Konflikte nicht wirklich aus rationalen, sondern aus emotionalen Gründen.“ Hilfreich sei es, wenn jemand in der Runde die Ruhe und die Kapazitäten habe, einen Kompromiss zu erzielen, wenn bei manch anderem die Nerven blank lägen.
Bestimmten Konflikten können und sollen Familien Hermann zufolge auch bei bester Planung nicht aus dem Weg gehen. „Man sollte vielmehr versuchen, einen Konflikt so auszutragen, dass er nicht eskaliert und zu groß wird.“ Wenn beispielsweise nur der Vater den Ton angebe, ohne Rücksicht auf Bedürfnisse anderer, könne es helfen, Distanz einzunehmen. „Ich akzeptiere die andere Perspektive, bleibe aber dennoch bei meiner eigenen Haltung und versuche einen Kompromiss anzuregen.“
Der Referent für Friedensarbeit in der hannoverschen Landeskirche, Felix Paul, sensibilisiert das ganze Jahr über Menschen im Umgang mit ausgrenzenden und rechtsextremen Positionen. Wenn zu Weihnachten der sprichwörtliche Onkel am Essenstisch herabwürdigende Kommentare äußere, müssten diese nicht unkommentiert stehen gelassen werden, sagt er. „Wichtig ist es dann, die übrigen Menschen am Tisch nicht zu vergessen.“ Das bedeute, für sich die eigene Position klar zu reflektieren und dann zu überlegen, wie dies in der Gemeinschaft thematisiert werden könne. „Statt direkt in die Diskussion zu gehen, können die Familienmitglieder das Gespräch ganz bewusst in die Zeit nach dem Essen verschieben.“
Um hitzige und eskalierende Auseinandersetzungen über Themen wie Migration zu vermeiden, rät Paul auch dazu, nur über einen Aspekt zu sprechen. Häufig praktizierten Menschen ein sogenanntes Parolen-Hopping, wenn sie beispielsweise eine These am rechten Rand nach der anderen aufzählten. „Man sollte sich nicht dazu verleiten lassen, dass man jetzt die ganze Großwetterlage analysieren muss.“ Auch Nachfragen könne helfen, um sich selbst Zeit zum Nachdenken und Reflektieren zu geben und um das Gesagte zu verdauen. „Nachfragen ist das mächtigste Mittel, weil es ein gewisses Interesse am weiteren Gespräch suggeriert, zumindest dann, wenn man selbst das leisten möchte.“
Das Besondere an den Auseinandersetzungen an Weihnachten sei auch, dass man mit allen im Raum in den meisten Fällen auch weiterhin Kontakt behalten wolle, sagt Paul
„Der hohe Harmonieanspruch verstärkt oft den Leidensdruck.“ Auch wer selbst nicht angesprochen werde, sollte daher anderen, wie beispielsweise dem neuen Partner der Schwester mit Migrationshintergrund, zur Seite stehen. Politische Diskussionen müssten am Weihnachtsfest nicht gemieden werden, denn schließlich basiere die Weihnachtsgeschichte auch auf einer politischen Geschichte.