Wo in der Göttinger Weststadt heute die Friedenskirche steht, wurde im Mittelalter hinter Burgmauern große Politik gemacht. Dort, in der Pfalz Grone, starb am 13. Juli 1024 der deutsche Kaiser Heinrich II. (978-1024). Pünktlich zum 1.000. Todestag plant die Stadt Göttingen neue archäologische Untersuchungen des Geländes. Darüber und über Heinrichs Vermächtnis sprach der Göttinger Historiker Peter Aufgebauer mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
epd: Herr Professor Aufgebauer, in Göttingen ist mit Heinrich nicht nur ein deutscher König gestorben, sondern auch ein römischer Kaiser. War Rom nicht längst untergegangen?
Peter Aufgebauer: Nach der Kaiserkrönung Karls des Großen im Jahr 800 in Rom kam die Idee einer Erneuerung des alten Römerreiches auf. Bald nach dem Zerfall des Frankenreiches ließen sich die deutschen Könige vom Papst als römische Kaiser krönen, so auch Heinrich. Aus seinem Reich wurde, was seit dem Spätmittelalter auch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation genannt wurde und bis 1806 fortbestand.
epd: Historiker rühmen Heinrichs Sorge um das Wohl der Kirche. Was hat es damit auf sich?
Aufgebauer: Als Kind seiner Zeit war Heinrich von einer tiefen Frömmigkeit geprägt. Er lebte in der damals verbreiteten Erwartung, dass das Jüngste Gericht unmittelbar bevorsteht. Als König verstand er sich als Stellvertreter Christi und sah sich dem Wohlergehen der Kirche verpflichtet. So hat er mehr als 60 Bischöfe ausgewählt und eingesetzt. Durch seine Personalpolitik hat er die Kirche gestärkt und seine eigene Herrschaft stabilisiert, denn Bischöfe waren damals zugleich weltliche Reichsfürsten. Nach heutigen Maßstäben ist es dabei natürlich nicht nur christlich zugegangen. Viele Historiker sehen in Heinrich auch einen skrupellosen Machtmenschen.
epd: Auch als Missionar war Heinrich nicht zimperlich.
Aufgebauer: Das Christentum zu verbreiten, notfalls auch mit dem Schwert, wurde in der Zeit um 1000 von einem guten Herrscher erwartet. Dabei berief man sich auf den sogenannten Missionsbefehl am Ende des Matthäus-Evangeliums: „Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker.“ Entsprechenden Druck übte Heinrich daher auf die heidnischen Slawen aus, die noch vereinzelt im Gebiet des von ihm gegründeten Bistums Bamberg lebten.
epd: Warum wurde er rund 120 Jahre nach seinem Tod heiliggesprochen?
Aufgebauer: Ein Heiliger, wie wir ihn uns vorstellen, war Heinrich sicher nicht. Seine Aufnahme in den Kreis der Heiligen geschah auf Betreiben Bamberger Kleriker, um das Bistum zu stärken. Dabei half, dass Heinrich den Bamberger Dom aus eigenen Mitteln gestiftet hatte, was als besonders fromme Tat galt. Zudem entstand die fromme Legende, er und seine Frau Kunigunde hätten eine sogenannte Josefsehe geführt, weil sie keine Kinder hatten. Der wahre Grund ist vermutlich biologisches Pech. Absichtlich kinderlos zu bleiben, hätte der Logik der Königsherrschaft ganz und gar widersprochen.
epd: Was verbindet Heinrich mit der Pfalz Grone?
Aufgebauer: Heinrich war zwar in Bayern aufgewachsen, gehörte aber als Urenkel des ersten deutschen Königs Heinrich I. zum ottonischen Königshaus. Die Ottonen regierten das Reich vor allem von ihren Stammlanden aus, dem damaligen östlichen Sachsen um Magdeburg, Quedlinburg und Halberstadt. Grone war eine von viele Pfalzen in dieser Gegend, in denen Heinrich häufig Station machte. Denn eine Hauptstadt gab es nicht, die Königsherrschaft war eine Reiseherrschaft. In Grone scheint Heinrich besonders gern gewesen zu sein, da er die Pfalz besonders gefördert hat.
epd: Von der Pfalz ist nichts mehr übrig. Was erhoffen Sie sich von den angekündigten Bodenuntersuchungen?