Artikel teilen:

Historiker Brenner: Über Föderation in Nahost nachdenken

Der Münchner Professor für jüdische Geschichte, Michael Brenner, sieht eine Zwei-Staaten-Lösung für den Konflikt zwischen Israel und Palästinensern entfernter denn je. Es gebe aber andere kreative Konzepte.

Eine Zwei-Staaten-Lösung zur Befriedung des Nahostkonflikts rückt nach Einschätzung des jüdischen Münchner Historikers Michael Brenner in immer weitere Ferne. “Viele Menschen glauben nicht mehr daran und wollen es auch gar nicht”, sagte Brenner der Zeitung “Der neue Tag” (Montag) in Weiden. Das zeigten Umfragen. Was die Menschen stattdessen wollten, darüber seien sie sich aber nicht einig.

Eine “demokratische Einstaatenlösung” wäre in einer idealen Welt “natürlich schön”, so Brenner, aber kurzfristig keine realistische Option. “Ich fürchte, das wäre nicht die Schweiz, sondern Jugoslawien oder der Libanon mit den entsprechenden ethnischen Konflikten.” Es gebe aber andere kreative Konzepte, über die man nachdenken könne, etwa eine Föderation.

Im gewissen Sinne habe die Hamas mit ihrem Terrorangriff vor einem Jahr ihr Ziel erreicht, gab der Wissenschaftler zu bedenken. Der Organisation sei das Leid der palästinensischen Bevölkerung “völlig egal”. In vielen Kreisen der Welt gelte nun der Staat Israel als der Schuldige und nicht sie. Die Regierung Netanjahu sei der Hamas in die Falle gelaufen und habe genau so reagiert, wie diese es sich vorgestellt habe, nämlich mit Brachialgewalt. “Damit kann man die Schlacht gewinnen, aber nicht den Krieg. Am Ende müssen Verhandlung und Versöhnung zwischen den Völkern stehen – und davon sind wir nun weiter entfernt als je zuvor.”

Nie zuvor sei der Staat Israel so unvorbereitet getroffen worden wie am 7. Oktober 2023, räumte Brenner ein. Und nie zuvor sei seit dem Holocaust eine solch bestialische Brutalität gegenüber jüdischen Kindern, Frauen und alten Menschen sichtbar geworden. “Für mich persönlich bedeutet dies auch eine große Sorge um Verwandte und Freunde in Israel. Aber ich habe auch arabische Freunde und bedauere die vielen Toten auf beiden Seiten.”

Der Wissenschaftler erklärte, er wünsche sich mehr Differenzierung in den Debatten. Auch er fühle mit dem Leid der Palästinenser. Er finde es “unselig, wenn man immer wieder fragt: Sind Sie Pro-Palästina oder Pro-Israel? Das ist kein Fußballspiel.” Man könne für die Israelis und für die Palästinenser sein, müsse aber nicht für Hamas und auch nicht für Netanjahu sein.

Brenner ist seit 1997 Professor für jüdische Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er wurde 1964 in Weiden/Oberpfalz geboren und studierte in Heidelberg, Jerusalem und an der Columbia Universität in New York.