Seit ihrer Gründung hat die Bundesrepublik immer wieder eng mit autoritären Regimen kooperiert. Zu beobachten ist ein Schlingerkurs zwischen Werteorientierung und pragmatischer Interessenpolitik. Selbst bei den Grünen.
Außenministerin Annalena Baerbock befürwortet die Lieferung von Eurofightern an Saudi-Arabien. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck war stolz auf seinen Gas-Deal mit dem Emirat Katar. Selbst die Grünen zeigen sich – je nach politischer Großwetterlage – flexibel, wenn es um Beziehungen zu autoritären Regierungen und Diktaturen geht.
Pragmatische Realpolitik oder werte-basierte Außenpolitik? Nicht erst seit dem russischen Überfall auf die Ukraine stellt sich die Frage, wie die deutsche Politik mit Diktatoren und autoritären Regimen umgeht. Ob Verhandlungen der sozial-liberalen Koalition mit den kommunistischen Regierungen Osteuropas. Oder die engen Beziehungen, die CSU-Chef Franz-Josef Strauß zu Franco-Spanien oder dem Chile Pinochets aufbaute: Der Anspruch, eine Werte-geleitete Außenpolitik zu betreiben, wurde immer wieder mit konkreten politischen und wirtschaftlichen Zielen abgewogen, wie der Potsdamer Historiker Frank Bösch in seinem gerade erschienenen Buch “Deals mit Diktaturen” deutlich macht.
Schon die ersten Staatsgäste, die in der jungen Bundesrepublik empfangen wurden, waren Autokraten aus Persien und Äthiopien. Dabei hatten die Deutschen doch gerade am eigenen Leib erlebt, wie bedrückend das Leben in einer totalitären Diktatur war. Die Abgrenzung zur NS- und SED-Diktatur gehörte zur DNA Westdeutschlands. Konnte man da guten Gewissens mit anderen Regimen kooperieren?
Bösch, Direktor des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam, macht deutlich, dass zu dieser Zeit viele Ex-Nazis an Schaltstellen der Macht in Bonn saßen, die Sympathien für starke Männer und autoritäre Regime hatten, die für Recht und Ordnung sorgten. Zugleich unterstreicht der Autor, dass die Adenauer-Regierungen durchaus eine wertebasierte Außenpolitik betrieben: Sanktionen und Freiheitsappelle richteten sich allerdings gezielt gegen sozialistische Staaten. Zugleich war die Bundesrepublik zum Schulterschluss mit westlich orientierten autoritären Regimen bereit, wenn es um den Kampf gegen den Kommunismus ging.
“Generell zeigte sich ein autoritäres Politikverständnis, das den Schutz der staatlichen Ordnung und ‘deutsche Interessen” über gesellschaftliche Freiheiten stellte”, bilanziert Bösch die ersten Nachkriegsjahrzehnte in seinem glänzend geschriebenen Buch. Einen Wandel sieht der Historiker Ende der 60er Jahre. Gastarbeiter aus Spanien, Griechenland oder Studenten aus Persien demonstrierten in der Bundesrepublik gegen die heimischen Diktaturen. Sie verbündeten sich mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen wie der Menschenrechtsorganisation Amnesty International oder der 68er-Bewegung. Die Linke begründete aus der deutschen Vergangenheit die Verpflichtung zu einer werte-geleiteten Politik. Der Gedanke von der Universalität der Menschenrechte gewann an Einfluss – eine Wurzel auch für die Menschenrechtspolitik der Grünen.
Dennoch blieb es dabei: Die deutsche Politik zeigte sich flexibel – auch gegenüber Diktaturen. So ging Kanzler Willy Brandt (SPD) mit seiner Ostpolitik auf die kommunistischen Diktaturen von Warschau bis Moskau zu: Auf Wirtschaftskontakte, Handelsförderung und informelle politische Begegnungen folgten Staatsbesuche und Verträge. Argumentiert wurde mit konkreten Verbesserungen für die Menschen, Menschenrechte wurden nicht angesprochen.
Zielkonflikte ergaben sich auch durch die starke Exportorientierung der deutschen Wirtschaft. Auf den bei der Zusammenarbeit mit Diktatoren deutlich zurückhaltenden Brandt folgte mit Helmut Schmidt ein pragmatischer SPD-Kanzler, der wirtschaftlicher Zusammenarbeit hohe Priorität einräumte – auch angesichts der Öffnung Chinas und des wachsenden Einflusses der Ölstaaten im Nahen Osten.
Ob Brandt, Schmidt, Schröder, Kohl oder Merkel: Die Kooperation mit autokratischen Regimen wurde oft verbunden mit dem Einsatz für Verfolgte in den Diktaturen: Bundesregierungen verhängten kurzzeitige Sanktionen, nahmen Verfolgte auf und legten bei Staatsbesuchen Listen mit Verhafteten vor, die freigelassen werden sollten.