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Hinterher ist man immer schlauer

Hätte sich die Kirche in den vergangenen Wochen anders verhalten müssen? Die Kritik, die jetzt laut wird, ist oft ein bisschen wohlfeil. Die Frage an sich ist dennoch richtig.

Happy Birthday! Geburtstage fallen in diesen Zeiten außergewöhnlich aus. Auch bei der Kirche. Pfingsten gilt als Geburtstag der Kirche. Und die quält sich gerade mit der Frage: Hat sie bei Corona versagt?

Schon seit Längerem brodelt es. Zum Überkochen kam es, als jetzt die frühere Pastorin und ehemalige Ministerpräsidentin von Thüringen, Christine Lieberknecht, den Kirchen vorwarf, sie hätten die Menschen in der Zeit der Krise alleingelassen.

Was ist dazu zu sagen?

Erstens: Eine solche Diskussion muss geführt werden. Die Pandemie ist für alle eine neue, extrem herausfordernde Situation. Auch für die Kirchen. Da muss man Bilanz ziehen. Zweitens: Die Art und Weise, in der Lieberknecht ihre Kritik äußert, ist völlig überzogen. Sie wird in keiner Weise den Bemühungen und Anstrengungen gerecht, die an tausenden Orten in evangelischen und katholischen Gemeinden geleistet worden sind.

Sicher: Manches hätte man besser machen können. Bei der Seelsorge für Menschen in Heimen, bei einsam Sterbenden – da mögen schmerzhafte Erfahrungen zurückbleiben; trotz aller Versuche und Bemühungen. Hinterher ist man immer schlauer. Da­raus muss man lernen. Um es beim nächsten Mal besser zu machen.

Aber nicht, um jetzt billige Vorwürfe in die Welt zu setzen. Denn die Kirche hat sich nicht vor ihrer Verantwortung gedrückt. Sie hat um den richtigen Weg gerungen. Und sich entschieden: Nächstenliebe kann auch darin bestehen, jemanden nicht in den Arm zu nehmen – und damit tausende andere zu schützen.

Und dennoch bleiben Zweifel, Unbehagen. Zagen. Und damit sind wir in guter Gesellschaft.

Die Kirche versteht Pfingsten als ihren Geburtstag. Was geschah damals? Die Apostel haben sich versammelt. Alle reden durcheinander. Auf den ersten Blick wirres Zeug. Da fühlt man sich manchmal gar nicht weit von heute entfernt. Und trotzdem kommt es zu einer Verständigung: Weil der Geist Gottes auf sie fällt. Die Menschen sind Feuer und Flamme. Der Geist treibt sie an.

Diese Kirche ist die Gemeinschaft der Gewillten. Der Bewegten. Der Inspirierten. Der Be-Geisterten.

Eines ist diese Kirche aber ganz sicher nicht: die Gemeinschaft der Perfekten. Derer, die alles richtig machen.

Denn sie ist auch die Gemeinschaft der Zweifelnden. Der Zagenden. Der Ängstlichen. Auch der Unbekümmerten, Übermütigen, Fahrlässigen. Und sie ist die Gemeinschaft derer, die streiten, die Fehler machen – o ja und o weh! Was für Fehler sie im Laufe der Jahrhunderte gemacht haben…

Deshalb, nur deshalb, sprechen die Christinnen und Christen von sich als „Gemeinschaft der Heiligen“: Weil sie vom Heiligen Geist beseelt sind. Weil sie sich zu Gott halten wollen – und weil sie sich von Gott halten lassen wollen. Die Kirche ist die Gemeinschaft derer, die erfüllt sind von dem Wunsch und der Absicht, die Gute Nachricht zu den Menschen zu bringen.

Das versucht sie. Auch heute. In allem Ringen, Wirren und Irren.