Kein Geburtstag nach Maß – zum 50-jährigen Bestehen zeigt sich die G7-Gruppe gespalten wie nie zuvor. Hilfsorganisationen beklagen ein “Totalversagen” der Industrienationen. Davon könnten andere profitieren.
Uneinigkeit und Handlungsunfähigkeit – so lauten die Vorwürfe von Entwicklungsorganisationen an die sieben großen demokratischen Industrienationen nach Abschluss des G7-Gipfels. “In einer Zeit, in der dringende globale Krisen mutiges und gemeinsames Handeln erfordern, gelang es dem Gipfel nicht, die Führung zu liefern, die die Welt braucht”, kritisiert Oxfam am Mittwoch. Die Wirtschaftsmächte zögen sich aus ihrer Verantwortung zurück. Das sei angesichts von Kriegen, Klimawandel, wachsender Ungleichheit und Ernährungsunsicherheit “nicht nur moralisch unvertretbar, sondern auch strategisch kurzsichtig”.
Das Treffen im kanadischen Kananaskis war am Dienstag zu Ende gegangen. Überschattet wurde es vom Streit mit US-Präsident Donald Trump, der den Gipfel in den nördlichen Rocky Mountains schon nach einem Tag wieder in Richtung Washington verlassen hatte. Dabei ging es vor allem über den Umgang mit Russland und die Hilfe für die Ukraine. Aber auch im Zollkonflikt mit den USA gab es kaum Fortschritte – zum Krieg zwischen Israel und dem Iran immerhin eine unverbindliche gemeinsame Erklärung.
Oxfam bemängelt, die G7 hätten ihre Chance vertan, “ernsthaften Druck” für ein Ende der Feindseligkeiten im Nahen Osten zu machen. Während sich die Aufmerksamkeit auf die Eskalation zwischen dem Iran und Israel verlagere, dauerten die “unerbittlichen” israelischen Angriffe gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen an. Auch kritisieren die Organisationen die Pläne der G7, ihre Entwicklungsgelder bis 2026 um 28 Prozent gegenüber 2024 zu kürzen. Die Einsparungen im Kampf gegen Hunger, Armut und Klimawandel brächten “Millionen Menschenleben in Gefahr”.
“Noch nie war der Bedarf so groß, und der politische Wille so klein”, sagt Fiona Uellendahl. Die Expertin des christlichen Kinderhilfswerks World Vision beklagt “ein Totalversagen”. Immer mehr Menschen hungerten, seien auf der Flucht oder würden bei militärischen Auseinandersetzungen getötet. “Doch die Welt schaut zu – und bleibt erneut ohne Antwort.” Nach UN-Schätzungen haben weltweit 733 Millionen Menschen nicht genug zu essen.
“Die G7 haben erneut eine Chance verpasst, globale Solidarität zu zeigen und gemeinsam Maßnahmen zu ergreifen, um Konflikte zu beenden, den Klimawandel zu bekämpfen und Armut und Ungleichheit zu verringern”, sagt Oxfam-Experte Jörn Kalinski. “Die Kürzung internationaler Hilfen zugunsten höherer Militärausgaben ist kurzsichtig und keine Lösung.” Vielmehr sei es “ein besorgniserregendes Signal für eine weitere Aushöhlung der Menschenrechte, der globalen Stabilität und der Gerechtigkeit”.
50 Jahre nach ihrer Gründung im November 1975 – damals noch als G6 ohne Kanada, das 1976 dazu kam – stünden die G7-Staaten so uneinig wie nie zuvor da, so die Kritik. Als demokratische Wertegemeinschaft kann die “Gruppe der Sieben” vor allem durch die Alleingänge von Trump kaum noch auftreten. Das meist übliche gemeinsame Kommuniqué am Ende der Gipfel wurde diesmal schon im Vorfeld nicht mehr angestrebt. Zu den G7 gehören außer den USA und Deutschland auch Frankreich, Großbritannien, Kanada, Japan und Italien. Auch die EU-Führung nimmt als Beobachter an den Gipfeln teil.
Mit Blick auf den Gipfel der 20 großen Wirtschaftsnationen (G20) im November in Südafrika ruft die Organisation One zu mehr Kooperation mit Afrika auf. Der Kontinent sei nicht nur ein strategischer Partner, sondern biete auch wirtschaftliche Möglichkeiten, die die aktuellen Gipfelteilnehmer jedoch nicht nutzten. “Während die G7 wegschauten, trat China hervor, hob Zölle für 53 afrikanische Länder auf und baute die technische Zusammenarbeit aus”, sagt Elise Legault, Kanada-Direktorin von One. China sei dabei, das gesamte Handelsvolumen der G7-Staaten mit Afrika zu übertreffen. “Afrika wartet nicht”, so Legault. “Und wir sollten es auch nicht.”