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Hilfe für Prostituierte

Das Kontaktverbot gilt auch im Rotlichtmilieu. Gerade für Prostituierte ohne Ausweis und Deutschkenntnisse ist das ein Schlag. Die Beratungsstelle der Diakonie hilft.

Der Eingang zur Herbertstraße auf St. Pauli ist menschenleer
Der Eingang zur Herbertstraße auf St. Pauli ist menschenleerOskar Eyb / dpa

Hamburg. Die Reeperbahn ist leer. Dort, wo sich sonst nachts die Menschen drängen, sind die Straßen verlassen, die Kneipen geschlossen, die Bordelle und Laufhäuser auch. Prostitution ist überall untersagt, auch dort, wo sie weniger grell daherkommt als auf der Touristenmeile. Zum Beispiel in St. Georg. Seit mehr als zwei Wochen können Prostituierte kein Geld mehr verdienen.

„Die Situation ist im Moment ziemlich angespannt“, sagt Anne Wieckhorst von „Sperrgebiet Hamburg“, einer Beratungsstelle in St. Georg. Sie gehört zur Diakonie und ist eine Anlaufstelle für Prostituierte. Rund 700 Frauen haben das Angebot im vergangenen Jahr genutzt, das macht etwa 4000 Beratungsgespräche.

Derzeit kann die Beratungsstelle nicht wie sonst geöffnet werden, die Mitarbeiterinnen versuchen aber trotzdem ansprechbar zu sein. Eine Ärztin schreibt Frauen mit Asthma oder Diabetes weiterhin Rezepte aus, eine Psychologin bietet telefonische Hilfe an. Juristische Beratung gibt es per Internet. „Bei uns gehen sehr, sehr viele Telefon- und Online-Anfragen ein“, sagt Wieckhorst. Auf der großen Terrasse der Beratungsstelle empfangen sie Frauen allerdings immer noch – wenn auch mit Handschuhen und Sicherheitsabstand. Dort geben sie zum Beispiel Care-Pakete mit Lebensmitteln, Hygieneartikel und Kleidung an Frauen aus.

Keine Alternative zur Prostitution

Wieckhorst berichtet, dass die Frauen vorsichtig sind und sich an die Regeln halten. „Wir können beobachten, dass viele Frauen mit Schutzmasken zu uns kommen, dass sie Handschuhe tragen, dass sie von sich aus einen großen Abstand wahren“, sagt sie. „Die Angst vor einer Ansteckung ist schon ziemlich hoch“. Ob jemand jedoch trotz des Verbotes noch anschaffen geht, dazu kann sie nichts sagen.

Dafür spricht sie über die Sorgen und Probleme, die die Prostituierten im Moment bewegen. Die meisten sorgten sich um ihre Unterkunft und ihre finanzielle Absicherung. „Diese existenziellen Sorgen sind gerade irrsinnig groß“, sagt Wieckhorst.

Die Pandemie verschärft ihre ohnehin schwierige Situation. Für viele Frauen gebe es keine Alternative zur Prostitution, berichtet Wieckhorst. Sie könnten kein Deutsch, nicht lesen und schreiben – in welche anderen Jobs sollten sie wechseln? „Die Frauen, die gerade in prekären Situationen sind, rutschen in noch prekärere Situationen“, sagt Wieckhorst.

Das betrifft nicht alle gleichermaßen: Wenn die Frauen angemeldet sind, können sie als Solo-Selbstständige Unterstützung durch das entsprechende Hilfspaket der Stadt beantragen. Einige hätten das bereits getan. Wenn sie aber nicht angemeldet sind, aus dem Ausland kommen und nicht einmal Papiere haben, fallen sie alle durch das Raster.

Kein Geld für Miete

Hinzu kommt, dass einige in den Bordellen und Laufhäusern gewohnt haben, wo sie nun die Miete nicht mehr zahlen können. Gerade erst haben Laufhäuser von der Fachstelle „FA-BEA *Pro“ die Aufforderung erhalten, die Frauen dort weiterhin wohnen zu lassen, auch ohne dass diese aktuell Dienstleistungen anbieten können, die unter das Prostituiertenschutzgesetz fallen. Für viele Frauen kam der Aufruf zu spät, weil sie schon ausgereist waren oder anderweitig untergekommen sind. Obdachlosenunterkünfte seien auch nicht die richtige Anlaufstelle.

Aktuell ist eine Ausreise auch nicht mehr ohne Weiteres möglich. Nicht nur, weil der Reiseverkehr nicht wie gewohnt läuft, sondern auch, weil manche erst zu einer Botschaft müssen, um sich gültige Ausweispapiere ausstellen zu lassen.

Was aus den Frauen wird, die sich mit dem Coronavirus infizieren, ist noch nicht eindeutig geklärt. Zwar gebe es hierfür Anlaufstellen, allerdings sei das Angebot relativ minimal gehalten für die Masse an Menschen, so Wieckhorst. Unterbringung und Isolation im Falle einer Infizierung – und das auch noch ohne Krankenversicherung: „Eine schwierige Situation“, sagt sie.