Cismar. Auf den ersten Blick sieht man ihm sein hohes Alter nicht an: Mit kräftigen Farben ist die Frontseite des dreiflügeligen Hochaltars in der Klosterkirche Cismar (Kreis Ostholstein) verziert. Kaum eine Macke zeigt sich an seinen figürlichen Aufbauten, die bis zu acht Meter in die Höhe ragen. Und doch hat er mehr als 700 Jahre auf dem Buckel – und ist damit der älteste Flügelaltar weltweit. Touristen sind aber oft enttäuscht, wenn sie ihn besichtigen wollen: Eine Glasscheibe vor der Kirche des einstigen Benediktinerklosters hält sie auf beträchtlichen Abstand zu dem Kleinod.
Sein Anblick aus der Nähe ist nur Besuchern der Gottesdienste vergönnt, die im Sommerhalbjahr jeden zweiten Sonntag in der Klosterkirche stattfinden. Und natürlich Christian Walda, Leiter des Klosters Cismar, der das Kunstwerk fast ehrfürchtig betrachtet. "Erst Anfang des 16. Jahrhunderts hatten Flügelaltäre ihre Hochzeit", erklärt er. Der Altar in der Cismarer Saalkirche wurde jedoch schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts gefertigt. "Einen älteren Flügelaltar gibt es definitiv nicht", so Walda. Lediglich im Münster in Bad Doberan bei Rostock steht einer mit ähnlichem Baujahr.
Den Bildersturm überstanden
Sechs Meter breit ist der dreiflügelige Hochaltar in Cismar, der vermutlich aus einer Lübecker Bildhauer-Werkstatt stammt und ursprünglich als Reliquienschrein angefertigt wurde. Kräftige Malereien auf der Vorderseite entsprechen noch der Originalfassung von 1320. "Es handelt sich um eine Leinöl-Bindung, wie sie eigentlich erst 100 Jahre später verwendet wurde", sagt Walda.
Die fünf tiefen Nischen im Mittelteil des Altaraufsatzes zeigen die Passionsgeschichte Jesu. Im rechten Flügel sind Szenen aus dem Leben des Ordensgründers Benedikt dargestellt. Der linke Flügel ist mit Bildern des Klosterpatrons Johannes verziert. Die Figuren der Szenerie sind jeweils aufwendig mit Gold dekoriert.
Die figürlichen Aufbauten stellen in der Mitte die Madonna, links Johannes und rechts den heiligen Auctor dar. "Zum Glück war der Bildersturm in Schleswig-Holstein nicht so stark, so dass die Protestanten die Figuren nach der Reformation nicht zerstört haben", so Walda. Ursprünglich waren auch die Rückseiten des Wandelaltars bemalt. Heute sind aber nur noch schwache Farbreste auf dem rötlichen Holz zu sehen.