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Gutachten: Extremismusklausel wäre rechtlich zulässig

Ein neues Gutachten attestiert Bayern gute Chancen für die Verweigerung oder Kürzung der Gehälter von verfassungsfeindlichen Mitarbeitenden im Parlamentsbetrieb. Nach aktueller Rechtslage sei dies nicht möglich, dazu bräuchte es eine gesetzliche Neuregelung, sagte Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) am Montag. Das Ergebnis des 200-seitigen Gutachtens: Eine Extremismusklausel wäre verfassungsrechtlich zulässig, aber mit hohen Hürden verbunden. Der Ball liege nun bei den Fraktionen, so eine Extremismusklausel für Bayern in die Tat umzusetzen, sagte Aigner. Von der AfD-Fraktion kam umgehend Kritik.

Nachdem mehrere Mitarbeitende von Landtagsabgeordneten auffällig geworden waren, hatte Aigner ein Gutachten zu einer Extremismusklausel in Auftrag gegeben: „Es war und ist für mich nicht hinnehmbar, dass wir bisher zulassen müssen, dass Verfassungsfeinde von Steuergeldern bezahlt werden.“ Im Dezember und Januar habe das Landtagspräsidium über mehrere Fälle beraten: Zwei Mitarbeitende von Abgeordneten seien Mitglied in der als rechtsextremistisch eingestuften Burschenschaft „Danubia München“. Ein Mitarbeiter stehe der Identitären Bewegung nahe und gehöre zur rechtsextremistischen „Jungen Alternative“.

Als Reaktion habe man öffentliche Gelder zur Vergütung zurückhalten wollen, sagte Aigner. Allerdings habe das Präsidium erhebliche Zweifel gehabt, ob das in der aktuellen Rechtslage überhaupt möglich sei. Letztlich sei das Geld ausbezahlt worden. Aufgrund der komplexen Rechtslage sagte Aigner, dass es richtig und wichtig gewesen sei, ein Gutachten in Auftrag gegeben zu haben. Auch die Landtage anderer Bundesländer sowie die Bundestagsverwaltung stünden vor ähnlichen Fragen, auf die das bayerische Gutachten Antworten gebe.

Der Gutachter Tristan Barczak vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und das Recht der neuen Technologien an der Uni Passau kommt zu dem Schluss, dass mit einer entsprechenden Extremismusklausel eine Erstattung eines solchen Gehalts aus öffentlichen Geldern verweigert werden könnte – und zwar, wenn sich die Mitarbeitenden von Abgeordneten oder Fraktionen in verbotenen Organisationen engagieren oder engagiert haben oder Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolgen oder verfolgt haben. Das gelte auch für Spionageaktivitäten für andere Staaten, sagte Barczak.

Der CSU-Fraktionsvorsitzende Klaus Holetschek sagte: „Wer unsere freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpft, kann nicht mit Mitteln des Staates unterstützt werden.“ Die Finanzierung von Mitarbeitenden in den Fraktionen und Abgeordnetenbüros müssen geprüft werden. Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Fraktion, Michael Hofmann, sagte, dass keine leichtfertigen Entscheidungen getroffen würden, denn: „Die Freiheit des Abgeordnetenmandats ist elementarer Bestandteil unserer Demokratie.“ Man werde sich daher intensiv mit den aufgezeigten rechtlichen Möglichkeiten auseinandersetzen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Christoph Maier bezeichnete Aigners Pläne als „Angriff auf die Demokratie“ und auf die Autonomie frei und demokratisch gewählter Abgeordneter. „Es ist klar, dass sich dieses Vorhaben wieder mal exklusiv gegen die AfD richtet“, kritisierte Maier und spielte damit auch auf das Ordnungsgeld im Bayerischen Landtag an, das seit 1. Juni gegen Störer verhängt werden kann.

Aigner hatte bereits vor Monaten ein strengeres Vorgehen gegen Verfassungsfeinde sowie ein Ordnungsgeld angekündigt. Seit dem 1. Juni können laute oder beleidigende Störungen von Landtagssitzungen mit einem Ordnungsgeld von bis zu 4.000 Euro belegt werden. Die Änderung des Abgeordneten-Gesetzes hatten CSU, Freie Wähler, SPD und Grüne beschlossen. In der vergangenen Wahlperiode hatte es besonders viele Rügen gegen Abgeordnete gegeben. Das Gros der 26 Rügen ging auf das Konto der AfD-Abgeordneten.

Aigner sagte am Montag, dass das Ordnungsgeld bereits Wirkung gezeigt habe. Verbale Angriffe in den Sitzungen seien deutlich zurückgegangen. Die Maßnahme habe dem Parlamentsbetrieb mit Sicherheit nicht geschadet. Dem stimmte auch Landtags-Vizepräsident Ludwig Hartmann (Grüne) zu. Dem Bayerischen Rundfunk (BR) sagte er am Montag: „In der Politik kommt es aufs Machen an, nicht aufs Niedermachen.“ Bereits in der Debatte über das neue Ordnungsgeld sei die Wortwahl der Abgeordneten gemäßigter gewesen. Der Landtag sei „für viele auch Vorbild, wie diskutiert und debattiert wird in diesem Land“. (00/2311/29.07.2024)