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Guckst du

Faszination und Wandelbarkeit von Gesichtern zeigt eine neue Schau im Dresdner Hygiene-Museum. Rund 300 Objekte vom historischen Portrait bis zum Selfie heute sind zu sehen

c by Matthias Rietschel

Von Katharina Rögner

Eine Landschaft aus Runzeln und Falten – so stellt sich das Gesicht einer 106-jährigen Frau dar. Im Spiel aus Licht und Schatten tritt jedes Detail hervor. Der US-amerikanische Fotograf Paul Mobley ist durch die USA gereist und hat Menschen aufgenommen, die mindestens hundert Jahre alt sind. Eine Arbeit aus seiner Fotoserie ist im Dresdner Hygiene-Museum zu sehen. Die Ausstellung unter dem Titel „Das Gesicht. Eine Spurensuche“ präsentiert bis zum 25. Feburar rund 300 Objekte, darunter zeitgenössische Kunst.

Geprägt durch Moden, Kulturen, Zeiten

Im Zeitalter von Fernsehen, Computer und Handy „sind Gesichter zum Gegenwartsthema geworden“, sagte die Berliner Kulturwissenschaftlerin Sigrid Weigel, die das Konzept für die Ausstellung erstellte. Es gebe „immer mehr Meldungen, die mit dem Gesicht zu tun haben“. So gesehen reflektiere die Ausstellung „Dinge, die wir intuitiv und unwillkürlich wahrnehmen“.
Ideengeberin Weigel und Kuratorin Kathrin Meyer haben auf rund 800 Quadratmetern eine Vielzahl an Themen rund um das Gesicht zusammengetragen. Die Ausstellung widmet sich der äußeren Gestalt, der Mimik und dem Ausdruck bis hin zur Wandelbarkeit etwa durch Kosmetik und plastische Chirurgie und der Wiedererkennung durch Phantombilder oder Kameras. Mit der Überwachung im öffentlichen Raum wird ein politisches Thema aufgegriffen.
Das verschleierte Gesicht, das Werbegesicht oder das biometri­sche Passbild – gezeigt werden zahlreiche Fotografien und Videos, aber auch gemalte Portraits und wissenschaftliche Geräte. An mehreren Stationen kann sich der Besucher selbst testen, zum Beispiel, ob er Menschen gut wiedererkennt. Selbst das Selfie werde thematisiert sowie „das komplett digitale Gesicht“, sagte Meyer.
„Das Gesicht war noch nie ein Naturprodukt“, sagte Weigel. Es werde durch Moden, Kulturen und Zeiten geprägt. Die „Wandelbarkeit des Gesichtes“ könne allein entlang verschiedener Epochen abgelesen werden. Die Ausstellung präsentiert dazu unter anderem rund 70 Schaufensterpuppen- und Friseurköpfe aus zwei Jahrhunderten.
Ein Thema ist auch die sogenannte Gesichtsblindheit, an der zum Beispiel der Neurologe Oliver Sacks (1933-2015) litt. Diese Menschen können sich die Gesichter anderer Menschen nicht merken. Selbst ihr eigenes Spiegelbild verkennen sie oft. Auf mindestens zwei Prozent der Weltbevölkerung trifft dies Meyer zufolge zu.

Selbstverständlich und dennoch rätselhaft

Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange betonte zur Eröffnung: „Diesem spannenden Ausstellungsthema kann man sich kaum entziehen, berührt es doch unser zentrales Erleben und Verstehen, eine riesige Palette an Emotionen und Handlungen praktisch vom ersten Tag unseres Lebens an.“ Ein Blick ins Gesicht sei „meistens der Beginn einer persönlichen Begegnung mit einem Fremden“ und setze „unverzüglich Gefühle, manchmal körperliche Reaktionen und Denkprozesse in Gang“. Das Gegenüber nehme nicht nur einen äußeren Eindruck eines Gesichtes wahr – es interpretiere, kategorisiere und beurteile.
„Gesichter sind selbstverständlich und bleiben trotzdem rätselhaft“, sagte die stellvertretende Museumsdirektorin Gisela Staupe. Sie seien zu Werbeträgern und Produkten geworden. Die Ausstellung gehe daher auch Fragen nach, was in Gesichtern abgelesen wird oder wie es zu Einschätzungen kommt, dass jemand freundlich oder arrogant aussieht.

Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags sowie an Feiertagen, 10-18 Uhr. Internet: http://www.dhmd.de/ausstellungen/das-gesicht/.