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Guck mal, was da schwimmt

Immer mehr Plastikmüll landet in der Umwelt. Die Europäische Union möchte die Recycling-Quote erhöhen. Ein richtiger Schritt – aber viel wichtiger ist es, Plastik so weit wie möglich zu vermeiden. Das ist auch eine Frage der Aufmerksamkeit

Richard Carey - stock.adobe.com

Kinder lieben ihn, Jugendliche finden ihn cool, Erwachsene praktisch: Die Rede ist vom Plastik-Strohhalm. Täglich stecken Mitarbeiter in Imbissen, Cafés oder Bäckereien unzählige davon in Getränkebecher oder Limo-Flaschen. An dieser Stelle sind die bunten Röhrchen zwar überflüssig, aber unschädlich. Geraten sie jedoch in die Umwelt, vor allem ins Meer, so richten sie böse Verwüstungen an.
Die scharfkantigen Halme bohren sich durch Haut, Nasenlöcher und Magenwände von Tieren, die sie mit Essbarem verwechseln. Und selbst, wenn solcher Verletzungen ausbleiben: Die Strohhalme sind Teil der riesigen Menge an Plastikmüll, die unsere Zivilisation produziert. Ein kleiner Teil nur, aber ein gutes Beispiel dafür, wie überflüssig dieses Plastik in vielen Fällen ist.

Anfangs schienen Kunststoffe eine segensreiche Erfindung: leicht zu verarbeiten, beständig, hygienisch und dazu noch günstig – das Material der Zukunft. Strumpfhosen, Einkaufstüten, Tupperdosen – mit dem Wirtschaftswunder der 1950er und -60er Jahre trat das Plastik seinen Siegeszug an. Etwa zwei Millionen Tonnen wurden im Jahr 1950 produziert. Heute sind es mehr als 310 Millionen Tonnen, und bis 2050, so schätzen Forscher, wird sich der Konsum noch einmal vervierfachen.
Das bringt enorme Probleme mit sich. Denn zum einen wird 90 Prozent des Plastiks aus fossilen Energieträgern wie Erdöl oder Kohle gewonnen – Rohstoffe, die in absehbarer Zeit verbraucht sein werden. Vor allem aber entstehen durch die vielen Kunststoffe gewaltige Müllmengen. Plastik ist zum Wegwerf-Produkt geworden. 37,4 Kilogramm Plastik wirft jeder Bundesbürger im Jahr in den Müll, darunter PET-Flaschen, Einwickelfolien für Obst und Gemüse, Plastikschalen für Salat, Fast-Food-Verpackungen, Kosmetik-Spender und vieles andere mehr. Wenn man davon ausgeht, dass ein Gelber Sack etwa zwei bis drei Kilo wiegt, so kommt man auf etwa 15 Säcke pro Person und Jahr.

In Deutschland wird knapp die Hälfte dieses Mülls recycelt und der Rest verbrannt. In vielen anderen Ländern landet er auf Deponien oder gleich in der Umwelt. Da Plastik nicht verrottet, bleibt es dort. Vor allem die Meere sind betroffen: Hier treiben laut einer Schätzung des deutschen Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2013 rund 60 bis 100 Millionen Tonnen Plastik, und jährlich wird es mehr. Größere Teile werden von Walen, Fischen und Meeresvögeln geschluckt und führen zum Hungertod der Tiere. Mikroplastik in Staubkorngröße gelangt in die Nahrungskette. Gerade wurde bekannt, dass das Luxussalz „Fleur de sel“ erheblich mit Mikroplastik belastet ist.

Gibt es etwas, was der Einzelne dagegen tun kann? Ja, meint Laura Konieczny. Die 24-jährige Bochumerin versucht seit drei Jahren, so wenig Abfall wie möglich zu produzieren und und verzichtet daher weitgehend auf Plastik. Sie kauft auf dem Markt oder im Bio-Laden loses Obst und Gemüse, besorgt sich Linsen, Nüsse oder Müsli im Unverpackt-Laden in Witten, wo sie die Lebensmittel direkt in einen mitgebrachten Behälter umfüllen kann, und trinkt Wasser aus dem Wasserhahn statt aus der Plastikflasche. Kosmetika wie Zahnpasta oder Deo macht sie selbst aus Zutaten, die sie ebenfalls verpackungsfrei einkauft.

Wozu der Aufwand? „Ich habe auf Reisen gesehen, wie sehr unser Müll unsere Erde zerstört“, sagt Konieczny. „Und ich sehe es als meine Pflicht an, etwas dagegen zu tun – auch aus meinem christlichen Glauben heraus.“ In den drei Jahren ihrer Bemühungen hat sie festgestellt, dass sie nicht die Einzige ist, die sich für einen möglichst müllfreien Lebensstil einsetzt. Durch das Internet hat sie viele Menschen kennengelernt, die ähnlich denken wie sie. Und es werden mehr. „Aber eine Massenbewegung ist das noch nicht“, sagt die junge Frau.

Dabei braucht es nur ein bisschen Mitdenken und Motivation, um schädliche Gewohnheiten zu ändern – siehe die Sache mit dem Plastikstrohhalm. Der lässt sich übrigens, wenn es denn sein muss, durch einen Halm aus Stahl oder Glas ersetzen. Es gibt eine ganze Reihe von Tipps zur Müllvermeidung, die einfach umzusetzen sind und zum Teil sogar Geld sparen (siehe Kasten). Und auch wenn der oder die Einzelne damit nicht die Welt retten – es sind erste Schritte. Denn wenn keiner anfängt, verändert sich auch nichts.