Wärmepumpe: Schon das Wort sorgt bei manch einem in Deutschland immer noch für Schnappatmung. In der Ukraine sorgen Wärmepumpen dagegen für Hoffnung. Mitten im Krieg – und vor einem harten Winter.
“Für die meisten von uns hier in Deutschland ist es unvorstellbar, in klirrender Kälte kein Licht zu haben, keinen Strom und keine Heizung. Für die Menschen in der Ukraine ist es bittere Realität”, so Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan über den schwersten Winter seit Beginn des russischen Angriffs. Um die Bevölkerung nicht im Kalten stehenzulassen, will ihr Ministerium zusätzliche Mittel in Höhe von 70 Millionen Euro bereitstellen, wie die SPD-Politikerin am Donnerstag in Berlin ankündigte.
Mit dem Geld sollen beispielsweise Generatoren, Blockheizkraftwerke und batteriebetriebene Versorgungssysteme für Gemeinden, Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser beschafft werden. Immer wieder gerate der ukrainische Energiesektor ins Visier der russischen Angriffe, beklagt die Ministerin. Seit Oktober haben diese Angriffe an Wucht zugenommen. Bei der Wärmeversorgung ist die Ukraine zu 70 Prozent auf fossiles Gas angewiesen – aktuell jedoch sind 60 Prozent der Gasversorgung bereits unterbrochen. Und der Winter fängt gerade erst an.
Es ist ein absurder Wettlauf. Kaum sind zerstörte Kraftwerke, Gas- und Stromleitungen repariert, werden sie von den Russen erneut mit Raketen und Drohnen unter Beschuss genommen. Dann stehen wieder Hunderte oder Tausende Haushalte ohne Strom, Wärme und Warmwasser da. Trotzdem keimt Hoffnung in Trostjanez, einer 20.000-Einwohner-Stadt im Osten der Ukraine. Dort, nur 35 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, wollen sie ihre Stadt wieder aufbauen – umweltfreundlich und zugleich energieunabhängiger, wie Bürgermeister Yuriy Bova sagt.
Um das zu realisieren, hat sich die Stadt mit Greenpeace und weiteren Partnern zusammengetan. Am Donnerstag stellten die Verantwortlichen auf einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Kiew ein Pilotprojekt vor: das erste Mehrfamilienhaus in der Ukraine, “das vollständig mit einer wasserbasierten Geothermie-Wärmepumpe und Solarstrom auf dem Dach versorgt wird”, wie eine Greenpeace-Sprecherin erläutert. Wärmepumpe? Ausgerechnet die Technologie, für die der ehemalige Vizekanzler Robert Habeck in Deutschland viel Kritik und Häme einstecken musste, könnte in der vom Krieg gebeutelten Ukraine ein Baustein sein für eine ebenso zukunfts- wie widerstandsfähige Energieversorgung.
Das Symbol für den “grünen Wiederaufbau der Ukraine” ist ein fünfstöckiges Mehrfamilienhaus mit 60 Wohnungen und steht nahe dem Bahnhof von Trostjanez. Während der russischen Besatzung im Frühjahr 2022 wurde die aus den 80er-Jahren stammende Immobilie schwer zerstört. Im Jahr darauf begannen die Wiederaufbauarbeiten – energetische Sanierung inclusive. Die Investitionssumme in das neue Heizsystem beziffert Greenpeace auf 218.000 Euro.
“Klar ist, die Investitionskosten wären signifikant niedriger mit der Gasversorgung”, räumt Greenpeace-Projektleiter Andree Böhling ein. Aber das wäre erstens schlechter für die Umwelt gewesen. Und hätte zweitens die Abhängigkeit privater Haushalte von der von Russland immer wieder unterbrochenen Gasversorgung fortgeschrieben. Durch die nun vorgenommene Kombination aus Erdwärme, Photovoltaik, einem großen Batteriespeicher und Warmwasserspeichern gelinge es, das Gebäude auch bei Netzunterbrechungen durchgehend zu beheizen, erläutert Böhling. “Die Grundversorgung bleibt also stabil, was gerade in der Grenznähe ein entscheidender Vorteil ist.” Ziel sei “eine maximale Unabhängigkeit und die Versorgungssicherheit im Krisenfall”.
Noch etwas ist Böhling wichtig. Man habe sich in Trostjanez bewusst eine Leerstelle in der Förderung ausgesucht. Zwar bemühten sich zahlreiche Organisationen und Institutionen um den Wiederaufbau in der Ukraine. Aber im Bereich Wärmeversorgung in Verbindung mit privaten Wohngebäuden gebe es bislang “viele administrative und legale Hindernisse” und daher kaum Projekte. Umso größer ist nun die Freude über das, was in Trostjanez gelungen ist. “Das Gebäude beweist, dass der Umstieg auf erneuerbare Energien auch im Krieg möglich ist – und den Menschen etwas Wesentliches gibt: das Gefühl eines Zuhauses, das immer warm und vor Bedrohungen geschützt ist”, sagt Bürgermeister Yuriy Bova.