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„Gottesfraktion“

Kirchenkritiker wirft Kirchen zu großen Einfluss auf politische Entscheidungen vor

BERLIN – Mit einer neuen Studie hat der Kirchenkritiker Carsten Frerk auf sich aufmerksam gemacht: Danach haben die beiden großen Kirchen in Deutschland großen Einfluss auf politische Entscheidungen, entzögen sich aber den Regeln, die für Lobbyisten gelten.
Nach Erkenntnissen des Politikwissenschaftlers Frerk setzen die Kirchen für die Lobbyarbeit bei Parlament und Bundesregierung mehr Personal ein als große Wirtschaftsverbände. Dies geschehe nicht uneigennützig. Im kirchlichen Raum würden jährlich über 100 Milliarden umgesetzt, so Frerk, der bereits kritische Studien zu den Kirchenfinanzen vorgelegt hatte. Die Kirchen seien die größten Arbeitgeber und Grundbesitzer in Deutschland.
Die Kirchen seien wie keine andere gesellschaftliche Kraft in Gesetzgebungsprozesse eingebunden, ohne dass es dafür eine demokratische Legitimation gebe, kritisierte der Autor der Studie, die unter dem Titel „Kirchenrepublik Deutschland“ als Buch erschienen ist. Ihre Vertretungen in Berlin seien nicht als Lobbyisten-Büros registriert. Es gebe enge Verbindungen zwischen den kirchlichen Lobbyisten und den Ministerien. Zudem sei es möglich, als Beamter vom Staatsdienst in den Kirchendienst zu wechseln und umgekehrt und seine Versorgungsansprüche mitzunehmen.
In den Parlamenten gebe es jeweils eine „Gottesfraktion“, so Frerk, eine fraktionsübergreifende Gruppe von Abgeordneten, die in kirchlichen und religiösen Fragen gemeinsam abstimme. In vielen Bereichen beeinflussten die Kirchen weiterhin den Lebensalltag – obwohl die Mehrheit der Bevölkerung keiner Religion mehr angehöre und säkulare Einstellungen vorherrschten. Frerks Studie wurde vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten in Auftrag gegeben und von der religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung gefördert. epd