Krieg und Gewalt regieren. Terror überzieht das Land. Nach und nach wird nahezu der gesamte Kontinent in den Strudel aus religiösem Eifer, Machtgelüsten und Intrigen gerissen. Es scheint, als breche die biblische Apokalypse an. Etwas Schlimmeres haben die Menschen noch nicht gesehen.
Europa – zu Zeiten des 30-jährigen Krieges. Zwischen 1618 und 1648 wütet der Machtkonflikt zwischen den Herrschern des alten Reiches und denen, die sich der Reformation zugeschlagen haben.
Heute würde man sagen: zwischen Katholisch und Evangelisch.
Das ist lange her. Trotzdem kann der Blick darauf die Augen öffnen. Weil im 30-jährigen Krieg ein Grundmuster zu sehen ist, das sich immer und immer wiederholt: Der Mensch verliert im übersteigerten Eifer jedes Maß. Er versteigt sich in gotteslästerlicher Weise in Rechthaberei und Intoleranz. Am Ende schlägt er seinem Bruder, seiner Schwester den Schädel ein – und beruft sich dabei auch noch auf Gott.
Heute brechen Verwerfungen, die sich auf den Glauben berufen, zwischen anderen Religionen auf. Dabei zeigt sich immer wieder der gleiche Grundzug: Wenn du nicht so bist und glaubst und lebst, wie ich es für richtig halte – dann schick ich dich zur Hölle.
In der kommenden Woche wird die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen in Leipzig, Berlin und Wittenberg zwei Erklärungen unterzeichnen (UK berichtete). Mit der einen Unterschrift schließen sich die reformierten Kirchen der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre an, mit der 1999 schon die katholische und die lutherische Kirche aufeinander zugeangen waren.
Mit der anderen werden die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen und der Lutherische Weltbund eine engere Zusammenarbeit vereinbaren. Denn auch die waren – obwohl beide aus der Reformation hervorgegangen – zeitweise bis aufs Blut verfeindet, konnten sich über Jahrhunderte nicht dazu durchringen, gemeinsam das Abendmahl zu empfangen.
Gut, dass diese Zeiten vorbei sind. In Europa mit der Leuenberger Erklärung seit 1973. Für viele andere Gebiete dieser Erde dann hoffentlich mit der Erklärung nächste Woche.
Müsste man noch weitergehen? Wäre eine einzige, gemeinsame Kirche das Ideal?
Das Ideal vielleicht, ja. Aber die Menschen sind nicht ideal. Sie sind unterschiedlich. In der Nachbarschaft. Am Arbeitsplatz. In der Familie. Und auch beim Glauben.
Deshalb haben die verschiedenen Religionen, Konfessionen und Denominationen ihren Wert. Wer an einen Schöpfer glaubt, muss dem anders Glaubenden nicht seine Sicht aufdrängen. Dabei muss er – oder sie – nicht mal den eigenen Wahrheitsanspruch aufgeben: Ich glaube an Gott, an den Sohn, an den Heiligen Geist. Und bekenne dabei demütig, dass ich das gar nicht anders kann als immer unter dem Vorbehalt: soweit und so gut ich das zu erkennen und verstehen mag.
Und wenn der Andere anders glaubt – ich akzeptiere das. Und will mit ihm in Frieden auskommen.
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Glaube. Und Demut
Warum muss sich der Glaube so oft mit Intoleranz verbinden? Das Gegenteil wäre richtig: Ich bin von meiner Sicht überzeugt – aber will mit dir in Frieden auskommen