Er gilt als wohl der berühmteste Lebemann der Geschichte: Giacomo Casanova. Noch heute, 300 Jahre nach seiner Geburt, steht der Name synonym für Frauenheld, Herzensbrecher, Verführer. Oder neudeutsch: Womanizer. Alles Begriffe, die unter dem Eintrag „Casanova“ im Duden nachzulesen sind. Darin wird die Bedeutung des Wortes erklärt als „jemand, der es versteht, auf verführerische Weise die Zuneigung der Frauen zu gewinnen“.
Am 2. April 1725 wurde Giacomo Casanova in Venedig geboren, der Stadt der verwinkelten Gassen und der reich verzierten Masken. Seine Heimatstadt hat ihm in diesem Jahr zum 300. Geburtstag sogar ihren berühmten Karneval gewidmet. „Il tempo di Casanova“, die Zeit von Casanova, war das Thema der Festlichkeiten, die vom 14. Februar bis zum 4. März stattfanden. Casanova wuchs in einfachen Verhältnissen auf, hauptsächlich bei seiner Großmutter. Die Eltern waren Schauspieler und reisten ihren Engagements hinterher. Er starb am 4. Juni 1798 auf Schloss Dux im damaligen Königreich Böhmen, dem heutigen Tschechien.
Die 73 Jahre dazwischen hatten es in sich. Sie zeichnen das Leben eines Mannes jenseits der gesellschaftlichen Konventionen nach. Casanova war Jurist, Schriftsteller, Reisender, Abenteurer. Die Bezeichnung „Frauenheld“, als der er heute in Erinnerung ist, geht vor allem auf die Memoiren „Geschichte meines Lebens“ (Original: „Historie de ma vie“) zurück. Wie aus seinen Texten herauszulesen ist, waren die Frauen, mit denen er sich umgab, meist klug und eigenständig – und er habe nicht nur den körperlichen, sondern auch den intellektuellen Austausch mit ihnen geschätzt, schreibt er. Wie viel Wahrheit dahinter steckt, ist schwer zu sagen.
Heute würde sich Casanova wohl für einiges von dem, was für ihn „erotische Abenteuer“ waren, vor Gericht verantworten müssen. Er soll vor allem junge Frauen bevorzugt haben. Sein Biograf, der ehemalige Harvard-Professor Leo Damrosch, schreibt von Sex mit Elfjährigen. Casanova war nie verheiratet, zeugte im Laufe der Jahre aber etliche Kinder, auch mit seiner eigenen Tochter.
Als junger Mann interessierte sich Casanova früh für die Wissenschaften, brach eine Ausbildung zum Priester ab, studierte Jura. Er liebte die Musik, spielte Geige. Er galt aber auch als Spieler, Diplomat und Spion. Casanova war getrieben von einer brennenden Reiselust und ein scharfsinniger Beobachter seiner Gegenwart.
„Er lässt eine ganze Kultur der Vergangenheit mit romanhaftem Geschick lebendig werden“, begründet sein Biograf Damrosch in einem Interview mit der „Yale University Press“ die Relevanz, die Casanovas Werk noch heute habe. Der Venezianer sei Autor einer der größten Autobiografien der Welt: „Wir lernen ihn besser und eingehender kennen als fast jeden anderen, der vor langer Zeit gelebt hat.“
Die persönliche Philosophie Casanovas stamme aus dem antiken Epikureismus: Tabus der orthodoxen Moral würden abgelehnt und Glück dadurch erreicht, dass man das tue, was einem natürlich erscheine: „Menschen wie er waren als Wüstlinge bekannt, nicht nur wegen ihrer sexuellen Freiheit, sondern auch wegen ihres freien Denkens“, erklärt Damrosch.
Casanova liebte den Auftritt. Seine Reisen in die Schweiz, nach England, Spanien, Österreich, die Niederlande, Frankreich, Deutschland, Polen und Russland brachten ihn in Kontakt mit Intellektuellen, Künstlern, Adeligen und Mächtigen: Voltaire, Johann Joachim Winckelmann, Friedrich der Große, Benjamin Franklin oder Papst Benedikt XIV. Der Rastlose präsentierte sich auf Empfängen, war in Theatern und Opernhäusern Dauergast. „Ich bin stets nach Auszeichnung begierig gewesen und habe stets die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken geliebt“, formulierte er in seinen Memoiren.
Durch seine Lebensart machte sich Casanova aber gleichzeitig viele Feinde. Sein Ausbrechen aus den Konventionen machte ihn auch zum Außenseiter, zum Vertriebenen. Schulden und Skandale zwangen ihn des Öfteren zur Flucht oder führten zu Verbannungen. Mehr als einmal wanderte er ins Gefängnis. So wurde er 1755 wegen seiner „Freigeisterei“ in den Bleikammern des Dogenpalastes von Venedig eingesperrt. Selbst daraus konnte er sich befreien: 1756 gelang ihm die Flucht.
Casanova stellte im Laufe seines Lebens immer wieder die bestehenden Autoritäten infrage. Er war ein Kind seiner Zeit, des 18. Jahrhunderts, in dem Freiheitsbestrebungen die Macht der alten Herrschaftssysteme zum Wanken brachten. Der Niedergang des venezianischen Adels, der Beginn der Aufklärung und die Französische Revolution – all das passierte zu Lebzeiten Giacomo Casanovas.