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Gesucht: weibliche Vorbilder

Trotz sehr guter Bildung kommen nur wenige Frauen in den Führungsetagen an. Aufgabe für die kirchliche Mädenarbeit

Geschlechtergerechtigkeit bleibt ein Thema kirchlicher Mädchenarbeit. Das sagt Meike Zeipelt (Foto), die seit Sommer 2013 als Referentin im Amt für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKVW) für die Handlungsfelder Ehrenamt und Mädchenpolitik angestellt ist. Mit Meike Zeipelt sprach Nicole Richter, Fachbereichsleiterin im Frauenreferat der EKvW.

In den Medien hört man ja oft, Jungen seien die eigentlichen Bildungsverlierer. Warum brauchen wir Ihrer Meinung nach dennoch Mädchenpolitik und Mädchenarbeit?
In der Tat gibt es Lebensphasen, in denen Mädchen sehr gut abschneiden. Bei den Schulabschlüssen liegen sie vorne oder bei der Anzahl der Studierenden. Doch trotz sehr guter Leistungen kommen die Mädchen und jungen Frauen später nicht in den Führungsetagen an und verdienen auch weiterhin in den „typisch weiblichen“ Berufen weniger Geld. Das zeigt, dass Mädchen und Frauen in vielen gesellschaftlichen Bereichen immer noch nicht gleichgestellt sind. Sie haben scheinbar gleiche Chancen, können sie aber nur bedingt nutzen. Manche wollen es auch es nicht. Und ja, wir brauchen die Arbeit mit Mädchen, denn Mädchen suchen nach weiblichen Vorbildern, auch jenseits des vorherrschenden Mainstreams. Sie brauchen Anregungen, wie sie ihr Leben neben Schminken und Shoppen, wie es beispielsweise auf YouTube vorgelebt wird, gestalten können. Genauso brauchen auch die Jungen reflektierte männliche Vorbilder.

Welche Ziele verfolgen Sie derzeit im Bereich der Mädchenpolitik?
Das Hauptanliegen der Mädchenpolitik ist es, die Mädchen in ihrer Vielfalt wahrzunehmen. Wir arbeiten mit Mädchen, um sie zu stärken, Ressourcen zu entdecken und auf ihrem Weg Begleiterin zu sein. Wir arbeiten für Mädchen, um für ihre Belange und Interessen politisch in Gremien zu sensibilisieren und Benachteiligungen aufzudecken.  
Durch die Mitarbeit in der Landesarbeitsgemeinschaft Mädchen und dem Bündnis Mädchenpolitik werden die Interessen der Mädchen aufgenommen und an die Politik weitergegeben.

Welche Angebote können Mädchen in der Evangelischen Jugend wahrnehmen?
Mädchenarbeit ist in Westfalen nicht flächendeckend vertreten. Dennoch gibt es in vielen Gemeinden klassische Mädchengruppen, in denen die Mädchen sich mit ihren Themen einbringen und mitgestalten. Dazu gibt es Projekte, bei denen ein Thema im Vordergrund steht, zum Beispiel Beruf, Identität oder auch Gesundheit. Auch die Offenen Türen bieten spezielle Angebote für Mädchen an.  Nicht zuletzt sind die Freizeiten zu nennen, die für Mädchen angeboten werden. Hier reicht das Spektrum von Abenteuer und Erlebnis, über Studienreisen bis hin zu Erholungsfreizeiten. Auf landeskirchlicher Ebene bieten wir seit über 25 Jahren alle zwei Jahre das Mädchen- und Frauentreffen an. Wir erreichen damit Mädchen ab 13 Jahren und Frauen bis 80 Jahre. Das ist immer wieder ein tolles Erlebnis, wenn die Generationen aufeinander treffen, gemeinsam in Workshops arbeiten und voneinander lernen.

Ist ein geschlechterbewusster Blick auf Mädchen und Jungen in der Arbeit der Evangelischen Jugend Standard?
Das wäre sehr schön. Wir haben in der Überarbeitung der Grundausbildung von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern „eQ – evangelisch und qualifiziert“ den Schwerpunkt „Geschlechtergerechtigkeit“ neu aufgenommen oder bewusst platziert. Das heißt, junge Ehrenamtliche setzen sich in der Schulung für die Jugendleiter/Jugendleiterin-Card  – Juleica – mit geschlechtersensibler Arbeit und Gender Mainstreaming auseinander. Sie nehmen sich in ihrer Rolle als Junge oder Mädchen wahr und erlernen Methoden für die geschlechtsspezifische Arbeit. Aber es hängt immer von den Agierenden in der Jugendarbeit ab, ob das Thema vermittelt wird.  Wenn diese ein Bewusstsein für Gender haben, gibt es zahlreiche Angebote für Mädchen und manchmal auch für Jungen.
Auf landeskirchlicher Ebene haben wir jährlich die Evangelische Jugendkonferenz von Westfalen (EJKW). In deren Satzung ist verankert, dass aus jedem Kirchenkreis Personen delegiert werden und beide Geschlechter vertreten sein sollen. Das gelingt auch sehr gut. In der Jugendkammer haben wir ebenfalls ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Jungen und Mädchen, Ehren- und Hauptamtlichen.

Vor welchen Herausforderungen stehen die Mädchenpolitik und die Mädchenarbeit in Westfalen?
Eine der größten Herausforderungen wird in den nächsten Jahren sicherlich der Umgang mit traumatisierten Mädchen sein, die als Geflüchtete zu uns kommen. Hier mischen sich Kriegserfahrungen, Kulturunterschiede, Rollenbilder und Religionen. Als Pädagoginnen müssen wir weiterhin daran arbeiten, dass die Mädchenarbeit nicht als Nischenthema wahrgenommen wird, sondern als Standard und Qualitätsmerkmal. Dazu wird es weiterhin den „Runden Tisch Mädchenarbeit“ geben, der ein gutes Netzwerk für Westfalen bildet. Persönlich sehe ich das Thema geschlechtersensibler Sprache als Herausforderung. Dahinter steht für mich eine Haltung, mit der ich gerne andere anstecken möchte.