Drama um zwei jugendliche afrikanische Flüchtlinge in Belgien, die zwischen Aufnahmeheim, Schleusern und Mafia um ein menschenwürdiges Leben kämpfen.
“Warum bekomme ich eine Aufenthaltsgenehmigung und meine Schwester nicht?”, fragt der junge Tori aus Benin, nachdem die belgischen Behörden das Gesuch der um einige Jahre älteren Lokita abgelehnt haben. Was sich der pfiffige, aber auch noch kindliche Tori (Pablo Schils) wünscht, wird nicht eintreten.
Zum einen, weil die beiden gar keine echten Geschwister sind, auch wenn sie sich als solche empfinden. Dabei erscheint Lokitas Legende, dass sie Tori aus dem Waisenhaus in Benin befreit habe, zunächst durchaus plausibel. Er sei dorthin verbannt worden, weil er als Hexenkind galt, erklärt Lokita (Joely Mbundu) den Behörden, und das stimmt auch. Deshalb hat Tori in Belgien einen Schutzstatus erhalten. Doch Lokita wurde von Schleusern über Sizilien nach Belgien gebracht, und so kämpft das Mädchen an vielen Fronten und ist ihrem biologischen Alter in vielerlei schmerzlicher Hinsicht voraus.
Den Schleusern schuldet sie Geld, das sie allerdings auch ihrer in Afrika verbliebenen Familie überweisen will. Sie verdient es sich zusammen mit Tori durch zwielichtige Jobs. Beide schmuggeln Drogenpäckchen in einschlägige Clubs, werden für die riskanten Botengänge aber schlecht bezahlt und laufen ständig Gefahr aufzufliegen. Außerdem nutzt der Restaurantbesitzer, für den beide arbeiten, Lokita auch sexuell aus. Dennoch nimmt sie alles auf sich, weil sie auf ein Ziel hinarbeitet: Sie will Haushaltshilfe werden und dann ganz legal als Ernährerin ihrer Familie in Afrika fungieren.
Lokitas Zukunftschancen stehen schlecht. An eine unbeschwerte Kindheit und Jugend ist nicht zu denken. Die Jugendliche steht unter außerordentlichem Druck und gerät dadurch in die Hände von Mafiosi, für die sie als Gefangene in einem hermetisch abgeriegelten Gewächshaus Cannabis züchtet. Mit dem Geld hofft sie, sich illegale Papiere zu besorgen. Doch bis es so weit ist, muss sie ihren Peinigern bedingungslos gehorchen.
In ihrem zwölften Film schildern die belgischen Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne mit gewohnt hartem Realismus das Schicksal ihrer in moderner Sklavenarbeit gefangenen jungen Protagonisten. Wie Kinder sich sogar widrigen Situationen anpassen können, bezeugen die Handlungen des Jungen. Er will Lokita beschützen und agiert bedingungslos solidarisch, nicht ohne dabei immer wieder an seine Grenzen zu stoßen – durch ihn maßregelnde Erwachsene im Heim oder durch die Kriminellen, die Lokitas Leben bestimmen.
Es ist bestürzend und bewegend zugleich, Tori bei seinen Bemühungen zu folgen. Während sich der Film immer mehr zu einem Krimi entwickelt, schildern die Regisseure die übergreifende Situation von illegalen Jugendlichen zwischen behördlicher Gleichgültigkeit und allgegenwärtiger krimineller Ausbeutung überzeugend.
Wie viele der Protagonisten der Dardenne-Brüder sind Tori und Lokita Gehetzte. Immer wieder fängt die nah an den handelnden Personen operierende Kamera ein, wie sie ständig in Bewegung sind und keine Ruhepause einlegen können. Trotz ihres jugendlichen Alters haben die beiden schon viel erlebt, sind hart im Nehmen und lassen sich nicht unterkriegen. Während das Kind Tori vieles noch spielerisch erlebt, erkennt die Jugendliche Lokita den Ernst der Lage und läuft als angehende Frau auch mehr Gefahr als ihr kleiner Freund, ausgenutzt und missbraucht zu werden.