Bockhorn/Collstede. „Das hätten auch wir sein können.“ Diese Erkenntnis machte den Schülerinnen der Carlo-Collodi-Schule aus Linswege nach ihrem Besuch in Wehnen ganz schön zu schaffen. Die Gedenkstätte für die Opfer oldenburgischer Krankenmorde zur Zeit des Nationalsozialismus. wurde im April 2004 in der „Alten Pathologie“ eingerichtet. Damit schufen die Angehörigen der Opfer, die sich im Gedenkkreis Wehnen zusammenfanden, nicht nur einen Ort für ihre Trauer, sondern auch ein Zentrum für die Dokumentation der damaligen Geschehnisse.
Denn hätten die Mädchen nicht heute, sondern vor 80 Jahren gelebt – sie wären während der NS-Zeit möglicherweise zwangsweise sterilisiert worden. Die Schule in Linswege ist eine Förderschule mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung. Träger der Carlo-Collodi-Schule ist das Diakonische Werk Oldenburg mit seiner Jugendhilfe. „Das hat unsere Mädchen sehr beschäftigt“, erinnert sich Nicole Cramer an den Besuch in Wehnen. Sie ist Pädagogin an der Carlo-Collodi-Schule. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Oliver Hoepe hat sie in ihrem Unterricht das Thema Nationalsozialismus bearbeitet. „Wehnen war einer von mehreren Erinnerungsorten in der Region, die wir besucht haben“, sagt Hoepe. Mit diesen Exkursionen wollte er das Thema für die Schüler greifbarer machen. Und das gelang inzwischen bereits mit mehreren Abschlussklassen.
Erschreckend und erschütternd
„Der Besuch in Wehnen war für mich erschreckend und erschütternd“, erzählt die 16-jährige Chiara. Die Schülerinnen erarbeiteten anschließend verschiedene Projekte zum Gedenken an die Opfer der Krankenmorde und der Zwangssterilisationen. Zwei Projekte konnten sie inzwischen abschließen: ein Fotoprojekt und eine Kiste mit kleinen (Grab-)Steinen für die Opfer. Sie sind derzeit im Foyer der Jugendhilfe Collstede, dem Träger der Carlo-Collodi-Schule, aufgebaut. „Bis Januar sind die Projekte noch hier zu sehen, anschließend werden sie in weiteren Einrichtungen der Jugendhilfe gezeigt“, sagt Jan Prassel, Leiter der Jugendhilfe Collstede.
„Wir wollen an die Opfer erinnern“, sagt die 18-jährige Luca. Sie hatte die Idee zu der Kiste mit den Steinen, die zeigen soll, wie viele Menschen in Wehnen Opfer der Krankenmorde durch die Nationalsozialisten wurden. Auf einem digitalen Bildschirm in der Mitte der Kiste sind die Vornamen der Opfer zu lesen. Mit deren Schicksalen haben sich die Mädchen intensiv auseinandergesetzt und dazu auch das Stadtarchiv besucht, um die Originalakten zu sehen. Vorbereitet wurden sie auch von Ingo Harms vom Gedenkkreis Wehnen.
Nächstes Projekt: Geocaching
Für ihr Foto-Projekt stellten sich die Mädchen und ihre Lehrer selbst vor die Kamera. „Wir wollten den Opfern unser Gesicht geben, um auf ihr Leid aufmerksam zu machen“, erläutern die Schülerinnen. Unter den Bildern ist zu lesen, warum auch sie damals Opfer der Zwangssterilisation geworden wären. Die Optik soll bewusst an die Krankenakten der damaligen Zeit erinnern.
Die Arbeit der Schülerinnen geht aber noch weiter. Derzeit arbeiten sie mit Oliver Hoepe und Nicole Cramer an einem Geocaching-Projekt. Die auf Satellitennavigation gestützte „Schnitzeljagd“ beginnt am ehemaligen Peter-Friedrich-Ludwigs-Hospital in Oldenburg und führt über viele geschichtsträchtige Stationen nach Wehnen.
Info
Die Jugendhilfe des Diakonischen Werks Oldenburg befindet sich in der Uhlhornstraße 28 in Bockhorn, Telefon 04453/48 34 40. Weitere Informationen zur Gedenkstättenarbeit in Wehnen gibt es auf www.gedenkkreis.de/gedenkstaette.