Das Johanniskraut hat es Bärbel Schröder besonders angetan. „Die gelben Blüten, das ist Sonnenlicht pur“, schwärmt die Biologin und Wildkräuterexpertin. Die Pflanze hemmt mit ihren Wirkstoffen in Tees und Tinkturen Entzündungen, stärkt die Nerven, verbessert das Blut und lindert Schmerzen. Es ist eines von nahezu 200 Heilkräutern, die sich im „Hildegarden“ von Bärbel Schröder in Bassum bei Bremen finden. Eine duftende Oase, die in der Tradition der Äbtissin und Forscherin Hildegard von Bingen (1098-1179) angelegt ist.
Johanniskraut – wenn die Melancholie um sich greift
Die Mystikerin nannte das Johanniskraut aufgrund seiner wohltuenden Wirkung auch „die Arnika der Nerven“. Wenn die Melancholie um sich greife, „bringt das Kraut Licht ins Gemüt“, sagt Schröder. Sie hat ihr Kräuterparadies im Kern nach dem Vorbild alter Klostergärten in einer Viergliederung angelegt. Damit bezieht sie sich auch auf die hippokratische Vier-Säfte-Lehre, die die Medizin des Mittelalters prägte. Gesundheit entspricht danach einer harmonischen Verteilung der vier Säfte Blut, Schleim, schwarze Galle und gelbe Galle, denen wiederum Luft, Wasser, Erde und Feuer zugeordnet sind.
Ein Hektar Grünkraft: In der Mitte des Gartens reckt sich eine weidenblättrige Birne in den Himmel. Der nahe gelegene Duftwall mit Lavendel, Ysop, Rosmarin und Thymian erinnert an mediterrane Länder. In den Beeten hat Bärbel Schröder Heilkräuter je nach Anwendungsgebiet sortiert. So gibt es Abschnitte mit Pflanzen etwa gegen Herzbeschwerden, Atemwegs-Erkrankungen, Schmerzen oder zur Stärkung des Immunsystems.
„Ich möchte das Bewusstsein für die Heilkraft der Natur stärken“, sagt Schröder und ist überzeugt: „Pflanzen sind unsere Helfer – wir sollten sie ehren und wertschätzen.“ Das gilt in ihren Augen auch für das Grün, das sich ungebeten breitmacht wie etwa Giersch oder Schachtelhalm. „Nicht ärgern, essen“, rät Schröder mit einem Schmunzeln und zitiert den Schweizer Kräuterpfarrer Johann Künzle (1857-1945): „Wenn die Menschen das Unkraut nicht nur ausreißen, sondern einfach aufessen würden, wären sie es nicht nur los, sondern auch noch gesund.“
Schröder zupft sich gerne Wasserdost für einen Tee, nascht würzige Ringelblumen oder mischt sich in ihrer Gartenküche einen Wildkräuter-Smoothie mit Kuba-Spinat, Brennnessel, Löwenzahn und Giersch. Dazu kombiniert sie Pfefferminze, Zitrone, Apfel, gefrorene Banane und Mango-Würfel – „für die Frische“, sagt Schröder.
Hildegard von Bingen habe das Wissen über mediterrane Heilpflanzen ihrer Zeit um die Heilkräuter der heimischen Volksheilkunde erweitert, erläutert die Expertin. Typische Heilpflanzen aus dem Garten der Naturforscherin sind Fenchel, Wermut, Galgant, Quendel (wilder Thymian) und Muskat. Vor allem Dinkel darf nicht fehlen. „Er macht seinem Esser rechtes Fleisch und rechtes Blut, frohen Sinn und freudig menschliches Denken“, notierte Hildegard über das Getreide.
Natürlich wächst Dinkel bei Bärbel Schröder und auch in einem ganz ähnlich angelegten Garten 70 Kilometer nördlich im oldenburgischen Rastede. Dort pflegt ein Team von 20 Ehrenamtlichen ein Kräuterparadies, das den Besuchern Anregungen für den eigenen Hausgarten bieten will.
Ein richtig bestückter Kräutergarten erspare viele Medikamente in der Hausapotheke, ist die Erfahrung von Andrea Reuver. Die gelernte Krankenschwester und Heilpraktikerin engagiert sich in Rastede. „Die lanzenartigen Blätter beim Spitzwegerich beispielsweise wirken gut gegen spitze Verletzungen wie Insektenstiche. Einfach die Blätter zu einem Brei zerreiben und auf die betroffene Stelle auftragen.“
Die luftig-leichten Blüten des Baldrian sorgen für ruhigen Schlaf, Salbei hilft bei Mund- und Rachenentzündungen, Mädesüß wirkt gegen Kopfschmerzen, Pfefferminze gegen Bauchweh. „Kaum einer weiß noch, dass Brennnessel eine Universalpflanze ist“, ergänzt Bärbel Schröder.„Sie hilft unter anderem bei rheumatischen Erkrankungen, Blasenentzündungen und Erschöpfungszuständen.“
In Seminaren und Workshops erläutern die Frauen aus Bassum und Rastede die Grundzüge der naturbezogenen Hildegard-Medizin. Ihr Erfolg habe ihr recht gegeben, blickt Bärbel Schröder auf die kräuterkundige Äbtissin: „Sie war Zeit ihres Lebens kränklich und ist doch 81 Jahre alt geworden – für die damalige Zeit ein wirklich biblisches Alter.“