Eine Pastorin spricht. Und die Welt hört zu. Bischöfin Mariann Edgar Budde von der Episkopalkirche der Vereinigten Staaten von Amerika hielt die Predigt beim Gottesdienst zur Amtseinführung von Donald Trump. Ihre für einen solchen Anlass ungewöhnlich kritischen Worte, direkt gerichtet an den anwesenden neuen Präsidenten, sorgen für Schlagzeilen. Viele feiern Budde nun als mutige Vertreterin des Wortes Gottes, als Heldin. Gar als Prophetin. Und da ist viel Wahres dran.
Doch es lohnt, Predigt und Predigerin nicht nur zu beklatschen, sondern genauer anzuschauen. Da kann man eine Menge lernen. Unter anderem, wie der liberale Teil der Welt mit Trump und anderen neu-machiavellistischen Machthabern umgehen könnte, deren Zahl ja offenbar zunimmt.
Bischöfin Budde: Eine Predigt als Hoffnungslicht
Erstens: Die Predigerin war tatsächlich mutig. Bei uns, in Europa und Deutschland ist es wohlfeil, Trump zu kritisieren. In den USA sieht das mittlerweile ganz anders aus. Viele seiner Gegner fürchten den Rachefeldzug, den Trump angekündigt hat. Das sind keine leeren Drohungen. So forderte der republikanische Kongressabgeordnete Mike Collins nach der Predigt, auch die Bischöfin müssen nun „auf die Abschiebeliste“.
Zweitens: Mariann Edgar Budde und ihre Predigt sind ein Hoffnungslicht: Es gibt trotz aller Drohungen immer noch Menschen, die – anders als die vielen Milliardäre, Politiker und Konzernbosse – vor Trump nicht auf die Knie fallen. Viel zu oft war in der Vergangenheit zu beklagen, dass die Kirche nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet hat. Bischöfin Buddes Vorbild mahnt: Jetzt ist die Zeit, das Richtige zu tun.
Mariann Edgar Budde: Keine Heilige, sondern Vorbild
Drittens: Man sollte sehr genau hinschauen, WIE Mariann Budde das getan hat. Anders als die Propheten der Bibel hat sie nicht Sodom und Gomorrha beschworen, über Schlangen und Otterngezücht geschimpft. Sondern ungeschönt, aber respektvoll geredet. Indem sie den Präsidenten bat, Erbarmen walten zu lassen, erkannte sie Trumps Autorität und Macht an – und ließ Trump so die Möglichkeit, das Gesicht zu wahren. Auch wenn er nach dem Gottesdienst schimpfte: Während der Feier blieb er sitzen, hörte zu.
Also: Mariann Edgar Budde sollte nicht als Heilige verehrt werden – die Lobpreisungen haben zum Teil bereits diese Anmutung. Sondern sie sollte Hoffnung und Vorbild sein. Das, was sie getan hat, war stark. Es verdient, genau gesehen zu werden.