Predigttext
1 Und Hanna betete und sprach: Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn, mein Herz ist erhöht in dem Herrn. Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils. 2 Es ist niemand heilig wie der Herr, außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist. 6 Der Herr tötet und macht lebendig, führt ins Totenreich und wieder herauf. 7 Der Herr macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. 8 Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der Ehre erben lasse.
Hanna singt. Die, der Gott gnädig ist, bedeutet ihr Name. Hanna also singt. Kein österliches Lied. Ein Danklied.
Ihren Dank singt eine, die schon etwas wie den Tod erlitten hat. Den Tod vor dem Tod. Den sozialen Tod. Denn den erlebte damals eine Frau, die keine Kinder gebären konnte. Die Bibel kennt mehrere solcher Geschichten. Von Sara und Rahel erzählt das Alte Testament, und von Elisabeth, der Mutter Johannes des Täufers, berichtet das Neue.
Die kinderlose Hanna fleht tief verzweifelt immer wieder zu Gott. Und das scheinbar Unmögliche geschieht. Ihr wird doch noch die Mutterschaft zuteil.
Hannas Lied – eine Zukunftsmusik
Nichts, so empfindet es Hanna, gibt es, was Gott nicht ändern kann. In einer trostlosen, aussichtslosen Situation kann er neue Zuversicht schaffen. Bei Hanna dadurch, dass sie ein Kind bekommt. Samuel wird geboren. Da kann man schon fröhlich jubeln und singen.
Aber ist das ein österliches Lied? Eine Art „Zukunftsmusik“, in der schon Jahrhunderte vor Christus Töne anklingen, die wir mit Ostern verbinden?
Hanna singt nicht nur ein persönliches, privates Danklied für erfahrenes Mutterglück. Ein Lied voller Glaubenszuversicht. Denn es spart schlimme Lebenserfahrungen nicht aus: Gott tötet – und macht lebendig; er führt ins Totenreich – und wieder herauf; er macht arm – und er macht reich, er erniedrigt – und erhöht. Jede negative Gefühlsregung wird durch eine darauf folgende positive überboten. So behält in Hannas Lied Gottes Güte das letzte Wort.
Hanna singt ihre Einsicht in das Wesen des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs. Ihre Botschaft: Gott steht auf der Seite des Lebens.
Wo das gesungen wird, klingt Ostern an.
Menschen, die in einem Gospelchor mitsingen, sagen oft: „Was ich so vollmundig nie mit Worten sagen könnte, das kann ich hier trotzdem singen.“ Singen ist uns eben manchmal ein Stück voraus. So ist es wohl auch mit Hannas Lied. Es ist schon mehr als zwei Jahrtausende alt und passt doch zu unseren Osterliedern. Eben weil dieses Lied mehr ist als ein privates Dankeschön. Es leiht sich ja auch Psalmworte. Also Worte, die die glaubende Gemeinde bis heute in Hoffnung, Dank, Klage und Lobpreis zusammenschließen.
Hannas Lied ist auch der schwangeren Maria im Magnifikat (Lukas 2, 46-55) in den Mund gelegt. So finden hier sogar Ostern und Weihnachten zusammen. Denn nur indem Gott Mensch wurde, konnte er auch den jeden Menschen treffenden Tod überwinden.
Dennoch bleibt die Frage: Was ist das für ein Gott, der einmal tötet und dann wieder lebendig macht? Beide Erfahrungen sind ja auch heute nicht aus der Welt.
Hannas Lied deutet nicht Ostern. Sondern umgekehrt: Ostern deutet ihr Lied noch einmal neu. Natürlich singt Hanna nicht: Der Herr ist auferstanden, aber sie singt ihr Lied für den Gott, der aufstehen lässt. Im Alten Testament hat Gott ihr menschliches Leben gewandelt, im Neuen Testament verwandelt er machtvoll den Tod Jesu. Das ist die Botschaft, die wir zu Ostern besingen.
Mit der Geschichte von Jesu Leben und Kreuz und Auferstehung hat dieser Gott gezeigt, was er letztlich für uns will: neues unvergängliches Leben. Das erspart uns nicht die mancherlei Tode mitten im Leben und auch nicht unseren biologischen Tod am Ende unseres irdischen Lebens. Aber es ist eben nicht Gottes letztes Wort. Dieses hat er mit dem auferstandenen Christus zu Ostern für uns gesprochen.
Das ist Grund zu hoffen, zu danken, zu loben. Den zu loben, der „die Toten lebendig macht und ruft das, was nicht ist, dass es sei“ (Römer 4,17).