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Für die Rechte der Frauen

Vor 100 Jahren, am 25. Oktober 1923, wurde Beate Sirota Gordon geboren. Wer war diese Frau und weshalb sollte man ihrer gedenken? Die Antwort ist einfach: Im Alter von 22 Jahren hat sie Geschichte geschrieben, indem sie zwei wesentliche Artikel zu Bürgerrechten der japanischen Verfassung entworfen hat. 1947 trat die Verfassung in Kraft, sie ist bis heute gültig. Mit ihrer Arbeit stärkte Sirota Gordon vor allem die Frauen, es ging um grundlegende Rechte bezüglich Ehe, Scheidung, Eigentum, Erbe, die künftig auf der Gleichberechtigung der Geschlechter beruhen sollten. Die „New York Times“ nannte sie nach ihrem Tod am 30. Dezember 2012 eine „Heldin der japanischen Frauenrechte“.

Zur Welt kam sie in Wien, als Tochter des bedeutenden jüdischen Pianisten Leo Sirota und dessen Frau Augustine. 1929 verließ die Familie Österreich, um sich in Japan niederzulassen, wo Leo Sirota eine Professur an der Kaiserlichen Akademie für Musik angeboten worden war. Seine Tochter lernte sehr schnell Japanisch und schrieb in ihren 1997 erschienen Memoiren „The Only Woman in the Room“ (Die einzige Frau im Raum): „Für mich bedeutete Japan Heimat, das Land, in dem ich aufgewachsen bin.“

Sie studierte in den USA, am Mills College, einem kulturwissenschaftlich orientierten Frauencollege in Kalifornien.1943 machte sie ihren Abschluss in modernen Sprachen. Während des Zweiten Weltkriegs, in dem die USA zum Kriegsgegner Japans wurden, war sie auch für das United States Office of War Information tätig, einer Regierungseinrichtung zur Verbreitung von Kriegsinformationen und Propaganda.

Erst am 24. Dezember 1945 konnte sie nach Tokio zu ihren Eltern zurückkehren – als erste Zivilistin, die der US-Besatzungsarmee in Japan zugeteilt war. Zu den Hauptzielen des Oberkommandierenden der Alliierten, Douglas MacArthur, gehörten der Wiederaufbau Japans und die Demokratisierung des Landes. Er war unzufrieden mit dem Verfassungstext der japanischen Regierung, der kaum von dem der Verfassung von 1889 abwich, die in den Augen der Amerikaner diktatorische Züge trug. Er gab einen eigenen Verfassungs-Entwurf in Auftrag, der ihm innerhalb von neun Tagen am 12. Februar 1946 vorliegen sollte.

Die 22-jährige Sirota war eine von nur zwei Frauen, die mit der Aufgabe betraut wurden, und für den Artikel über die Rechte der Frauen zuständig. Auf ihren Wunsch hin durfte sie außerdem Artikel 23 über akademische Freiheit entwerfen. Ihr Entwurf zu Frauenrechten orientierte sich stark an der Verfassung der Weimarer Republik. Er wurde um viele Details gekürzt, wie sie in ihren Memoiren bedauert. Tatsächlich habe sie auch den Zugang zu Bildung und zur Gesundheitsfürsorge für Frauen und die Möglichkeit zur Berufstätigkeit ausformuliert. Diese Themen lagen ihr am Herzen. Ihr war bewusst, dass japanische Frauen über so gut wie keine gesellschaftlichen Rechte verfügten.

Trotz der Kürzungen kann man den Artikel 24 über die Rechte der Frauen in Ehe und Gesellschaft als einen der radikalsten der Verfassungsreform betrachten: Sirota hat die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter in den Verfassungstext eingebracht. Sie habe die Basis bereitet für eine bessere Gesellschaft mit mehr Gleichheit, sagte Carol Gluck, US-Professorin für japanische Geschichte, der „New York Times“ nach dem Tod Gordons.

Bei den Verhandlungen mit Vertretern der japanischen Regierung war sie als Dolmetscherin anwesend – als „einzige Frau im Raum“, daher der Titel ihrer Autobiografie. Dabei hat sie sich offenbar mehrfach für die Anliegen der japanischen Seite eingesetzt. Als freundliche Anerkennung sei schließlich Artikel 24 von den Japanern akzeptiert worden.

1948 kehrte Sirota in die USA zurück, wo sie Leutnant Joseph Gordon heiratete, den sie in Japan kennengelernt hatte. Der Untertitel ihrer Memoiren lautet: „Erinnerung an Japan, Menschenrechte und die Künste“ und verweist auf ihre weiteren Aktivitäten: Sie arbeitete in leitenden Positionen bei den in New York ansässigen Kulturinstitutionen„Japan Society“ und „The Asia Society“. Sirota förderte kulturellen Austausch, brachte Künstler aus verschiedenen asiatischen Ländern in die USA und war vor allem um traditionelle asiatische Kunstformen und die Kunst von Minderheiten bemüht.

Seit ihrem Inkrafttreten ist die japanische Verfassung kaum verändert worden, auch wenn es aus nationalistischen und rechtskonservativen Kreisen vor allem in den letzten Jahren immer wieder Veränderungsbestrebungen gab. 2004 forderte die regierende Liberaldemokratische Partei (LPD) eine Überarbeitung des Artikels 24, was zu einem Schrei der Entrüstung und zu Protestmärschen von Frauengruppen führte.

Das Österreichische Kulturforum Tokio vergibt seit zwei Jahren jährlich am Internationalen Frauentag (8. März) einen Preis zur Erinnerung an Beate Sirota Gordon. Die Verfassungsartikel, an denen sie mitgearbeitet habe, hätten Frauen damals beispiellose Rechte zugestanden, heißt es auf der Homepage des Preises: In Japan werde sie als Heldin der modernen Frauenbewegung gefeiert.