Autofahren ist für viele Ältere ein Stück Freiheit. Doch immer wieder schrecken Berichte über Senioren auf, die im Straßenverkehr Brems- und Gaspedal verwechseln oder Geisterfahrer werden. Kommt bald der Alters-TÜV?
Senioren am Steuer haben einen schlechten Ruf. Auf Ebene der EU wird deshalb über Tauglichkeitstests für über 70-jährige Autofahrer gestritten. Das EU-Parlament sprach sich am Mittwoch gegen europaweite verpflichtende Überprüfungen aus. Die Mitgliedsstaaten sollen das selber entscheiden. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nennt wichtige Fakten.
2022 starben in EU-Ländern 20.600 Menschen im Straßenverkehr. Um diese Zahl zu reduzieren und bis 2050 auf Null zu bringen, plant die Europäische Union einige neue Regeln für den Straßenverkehr.
Die EU-Kommission hatte im vergangenen März vorgeschlagen, dass Menschen über 70 Jahre künftig alle fünf Jahre entweder eine Selbsteinschätzung zur Fahrtauglichkeit ausfüllen oder sich ärztlich untersuchen lassen sollen. Sie sollen in Zukunft bei einer Verlängerung ihres Führerscheins bestätigen, dass sie fit genug zum Fahren sind, etwa durch Hör- und Sehtests oder die Überprüfung des Herz-Kreislaufsystems. Die EU-Staaten planen keine verpflichtenden Tests. Sie hatten ihre Verhandlungsposition bereits vergangenes Jahr festgelegt. Sie sprechen sich dafür aus, dass alle Führerscheine nur alle 10 bis 15 Jahre verlängert werden müssen.
Das Parlament stimmte mit großer Mehrheit dafür, die Entscheidung über verpflichtende Gesundheitstests für Autofahrer den Mitgliedsstaaten zu überlassen. Sie appellierten allerdings an die Regierungen, die Öffentlichkeit für das Problem zu sensibilisieren, wenn ältere Fahrer wegen nachlassender Gesundheit zur Gefahr für die Öffentlichkeit werden.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat sich im November deutlich gegen verschärfte Regeln für Führerscheininhaber ab 70 Jahren ausgesprochen. “Ich wehre mich dagegen, dass der Einzelne immer mehr zum Objekt gemacht wird, sich Zwangsuntersuchungen unterziehen und nach Vorschriftskatalog seinen Alltag gestalten muss”, sagte er. Wissing sieht auch eine Verantwortung des Umfelds, von Kindern, Verwandten und Nachbarn, mit alten Menschen über das Autofahren zu sprechen. Auch deutsche EU-Parlamentarier haben sich gegen verpflichtende Tests ausgesprochen.
Gesundheitstests sind in zahlreichen europäischen Ländern wie etwa Irland, Luxemburg oder den Niederlanden ab einem gewissen Alter notwendig. In Spanien müssen Autofahrer alle zehn Jahre zum Arzt, ab dem Alter von 65 sogar alle fünf Jahre.
Das Statistische Bundesamt hat im Frühjahr 2023 Zahlen vorgelegt, die verschiedene Interpretationen zulassen: Danach waren ältere Menschen 2021 – gemessen am Anteil an der Gesamtbevölkerung – seltener in Verkehrsunfälle verwickelt als jüngere. Konkret waren 66.812 Menschen ab 65 Jahren an Unfällen mit Personenschaden beteiligt. Das waren 14,5 Prozent aller Unfallbeteiligten. Der Anteil dieser Altersgruppe an der Bevölkerung liegt aber bei 22,1 Prozent. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass Menschen im Alter schlicht seltener mit dem Auto unterwegs sind. Zugleich geht aus den Zahlen hervor, dass ältere Autofahrer häufiger die Hauptschuld als jüngere tragen, wenn sie an Unfällen mit Personenschaden beteiligt sind. Der Statistik zufolge waren Menschen ab 65 vergangenes Jahr in mehr als zwei Dritteln dieser Fälle (69 Prozent) die Hauptverursachenden.
Siegfried Brockmann, viele Jahre Leiter der Unfallforschung der Versicherer, sagte in einem Interview, die Altersgruppe der 65- bis 75-Jährigen zeige in der Regel noch keine Auffälligkeiten. “Die Dramatik steigt ab 75 Jahren.” Es handele sich allerdings um rein statistische Werte: “Es gibt auch 80-Jährige, die super fahren können, und 65-Jährige, die bereits Schwierigkeiten haben.”
Auch der ADAC und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) lehnen verpflichtende Tests ab. Senioren seien keine schlechteren Autofahrer, heißt es beim ADAC. “Zwar kann es mit zunehmendem Alter zu Leistungseinbußen kommen, dennoch ist das Unfallrisiko älterer Kraftfahrer nicht außergewöhnlich hoch”, so der Verkehrsclub. Eine gesetzliche Verpflichtung zu Eignungstests sei “nicht verhältnismäßig”. Denn gerade ältere Verkehrsteilnehmende zeichneten sich durch einen situationsangepassten Fahrstil sowie vorausschauendes Fahren aus.