Predigttext
1 Dies ist das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, schaute über Juda und Jerusalem. 2 Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des Herrn Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, 3 und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des Herrn, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem. 4 Und er wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. 5 Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des Herrn!
Peter ist Lehrer – Deutsch und Geschichte. Und in der Hitze dieses Sommers ging er in seinen Keller. Nicht nur, weil das ein besonders kühler Ort ist. Er hatte sich vorgenommen, die Ferien zu nutzen, um in den Aktenschränken Platz zu schaffen. Seit Jahren wandern volle Ordner einfach nach unten. Er kann schlecht etwas wegwerfen. Die Unterrichtsentwürfe aus dem Referendariat wird er nie wieder halten. Trotzdem sind sie eng verbunden mit seiner Lebensgeschichte und seiner Entwicklung.
Jetzt hält er einen Ordner in der Hand, bei dem eine ganze Lawine von Erinnerungen auf ihn einstürzt. Dabei hat er ihn noch gar nicht aufgemacht. Es ist der Aufkleber, der ihn in die 80er Jahre versetzt: um einen roten runden Rand das Bibelwort „Schwerter zu Pflugscharen“ und in der Mitte ein stilisiertes Denkmal mit Schmied. Peter streicht über den Aufkleber, der sich am Rand wellt. Gedruckt ist er auf Vlies und Peter hat ihn mit reichlich Klebstoff auf dem Aktendeckel fixiert. Der sächsische Jugendpfarrer Harald Bretschneider hatte 1980 die Druckgenehmigungspflicht in der DDR umgangen, indem er Vliesstoff und nicht Papier bedrucken ließ. Dieses Vlies war als Einlegeblatt oder auch als Aufnäher zu gebrauchen – ein 200 000-faches Widerstands-, Widerspruchs- und Hoffnungszeichen.
1980 stand die erste gesamtdeutsche Friedensdekade der evangelischen Kirche unter dem Motto „Schwerter zu Pflugscharen“, erinnert sich der Geschichtslehrer. Drei Jahre später war er als Student dabei, als in einer lauen Septembernacht in Wittenberg im Lutherhof vor dem Brunnen neben Luthers Wohnhaus die Friedensbewegung ein Zeichen setzte: Hier wurde geschmiedet und gesungen.
Ein Gast aus Simbabwe sprach über seine Vision vom Ende des Hungers. Der Schriftsteller Jürgen Rennert las seinen Text über die Möglichkeiten von Literatur, zum Frieden beizutragen. Jemand zitierte Wolf Biermanns Gedicht gegen das Kriegsspielzeug. Rund tausend Menschen sangen aus voller Kehle das Lied: „Ein jeder braucht sein Brot, sein’ Wein, und Frieden ohne Furcht soll sein. Pflugscharen schmelzt aus Gewehren und Kanonen, dass wir in Frieden beisammen wohnen.“ Dazu die lauten Hammerschläge des Schmiedes Stefan Nau.
Peter bekommt eine Gänsehaut, wenn er daran zurückdenkt. „Haben wir in jener Nacht den Mauerfall 1989 mit vorbereitet?“, fragt er sich. Und der Deutschlehrer in ihm meldet sich zu Wort: Ihr habt hinter „Schwerter zu Pflugscharen“ ein Ausrufungszeichen gesetzt. Das steht in der Bibel nicht.
„Und das hat uns kein bisschen gestört!“, sagt Peter zu sich selber. „Aus des Propheten Zukunftsvision machten wir einen Imperativ, wir fühlten uns aufgefordert ‚Schmiedet die Schwerter zu Pflugscharen!‘“
Peter erinnert sich, wie die Staatssicherheit in dem Bibelwort eine Gefahr sah und mit Zersetzungsprogrammen begann. Gleichzeitig sprachen sich die Friedensbewegten gegenseitig Mut zu. Auf die Abschaffung der Massenvernichtungswaffen wie der SS-20 und der Pershings wollte man hinwirken, den propagierten Feindbildern keinen Glauben schenken. Man traute sich das zu und war sich seiner Sache sicher.