Predigttext
29 Das sage ich aber, liebe Brüder: Die Zeit ist kurz. Auch sollen die, die Frauen haben, sein, als hätten sie keine; 30 und die weinen, als weinten sie nicht; und die sich freuen, als freuten sie sich nicht; und die kaufen, als behielten sie es nicht; 31 und die diese Welt gebrauchen, als brauchten sie sie nicht. Denn das Wesen dieser Welt vergeht.
Viele Menschen kennen Hans im Glück. Das ist der, der den Lohn seiner harten Arbeit, einen kopfgroßen Goldklumpen, stückweise eintauscht: Pferd, Kuh, Schwein, Gans, Mühlstein. Und nachdem dieser in den Brunnen gefallen ist, dankt er Gott, dass er die Sorge um Besitz und Reichtum los ist und geht fröhlich und frei nach Hause.
Ich denke, dass Paulus der Gemeinde in Korinth genau dieses Gefühl von Freiheit vermitteln will. Es geht nicht darum, Ehe und Familie schlecht zu machen, Geld und Gut an den Pranger zu stellen. Es geht vielmehr um die Haltung, die Dinge, die wir „gebrauchen sollen, als brauchten wir sie nicht“, nicht an oberste Stelle zu rücken und sich nicht davon bestimmen zu lassen. Paulus wirbt dafür, so zu leben wie Hans im Glück.
Denk an das Heimkommen!
Zwei Dinge machen Hans glücklich: Er ist auf dem Weg nach Hause, auf dem Weg in die Geborgenheit. Und: Er ist glücksfähig. Ihm gereichen alle Dinge zum Besten, so wie die Bibel von denen sagt, die Gott lieben.
Die Bibel und dieses Märchen sagen: Klammere dich nicht fest an dem, was du hast, sondern denke an das, was wichtiger ist! Denke an das Heimkommen!
Paulus war völlig davon erfüllt, vom Ende her zu denken und das nahe und baldige Ende dieser Welt von Gott her zu erwarten.
Wir wissen heute, dass Paulus mit seinem Satz „Die Zeit ist kurz“ danebenlag. Und weil wir an dieser Stelle so anders denken, kann es sein, dass uns seine Aussagen seltsam vorkommen: „Ja, mein Schatz, ich möchte dich heiraten, aber so, als heiratete ich dich nicht!“ Der Mensch, der das hört, dürfte wohl dumm gucken.
Aber: Nur aus dieser Perspektive heraus kann Paulus das sagen. Weil er denkt, es gehe mit großen Schritten auf das Ende zu.
Trotz der falschen Naherwartung ruft uns der Text eine wichtige Tatsache ins Gedächtnis: Wir alle sind der Vergänglichkeit unterworfen. Wir hören das nicht so gerne, verdrängen das ganz oft. Und dennoch glaube ich, dass es kein Zufall ist, dass wir auf diesen Text gerade im Herbst hören sollen, wenn die Blätter fallen.
Denn zusammen mit der Erinnerung an die Vergänglichkeit kommt die Erkenntnis, dass Geld und Gut letztlich nicht frei machen.
Da braucht es mehr! Rainer Maria Rilke schreibt über die Vergänglichkeit: „Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.“
Aufgefangen in Gottes Hand sind wir. Das ist die gleiche Geborgenheit, die Hans verspürt und die ihn fröhlich nach Hause springen lässt. Die Geborgenheit, die Paulus dazu bewegt, das Materielle und die Beziehungen in den Hintergrund zu rücken.
Und sicher ist dieser Text dann auch für uns gut. Viele Dinge bewegen uns im Blick auf die Welt und einiges davon hat mit Besitz zu tun.
Da tut es gut, dass auch unsere Perspektive die der Geborgenheit und des Heimkommens sein darf.
Hans hat das erkannt und macht sich auf den Weg.
Er kommt allerdings erst sieben Jahre später an. Damit ist klar, dass er sich nicht einfach nach früher sehnt. Er kommt als erwachsener Mann zurück zu seiner Mutter, die ebenfalls älter geworden ist.
Gottes Perspektive: ein Wagnis
Der Blick zurück ist auch für uns keine gute Wahl, sondern wir müssen – als Einzelne und als Gemeinden – mit einer festen Basis, mit einem festen Zuhause, das Hier und Heute gestalten. Dabei sollen wir die materiellen Dinge nutzen, sie aber nicht in den Vordergrund stellen. Sicher müssen wir manches „von früher“ über Bord werfen, aber wir dürfen und werden etwas gewinnen.
Und für mich ist das auch ein Nach-Hause-Kommen, ein Spüren, wie gut es Gott mit uns meint.
Bei ihm sind wir gut aufgehoben, wenn wir es nur wagen, unsere vermeintlichen Sicherheiten einen Augenblick hinten anzustellen und uns auf Gottes Perspektive einzulassen.