Sie suchen im Müll nach Essensresten und sind zunehmend in Siedlungen unterwegs: Bären in Rumänien. Für Mensch und Tier kann das im schlimmsten Fall tödlich enden. Die Angst vor Meister Petz ist zurück.
Der Abschuss ist garantiert, das Fell hat eine hervorragende Qualität, und die Trophäe wird frei Haus geliefert. Solche Werbeanzeigen begleiten einen neuen Trend in Rumänien, wo Meister Petz auf der Abschussliste steht. “Es gibt immer mehr Websites, die Bärenjagd in Rumänien bewerben”, sagt Cristian-Remus Papp, Experte der Naturschutzorganisation WWF, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Die Leute, auf die sie abzielen, sind reiche Ausländer, die bereit sind, große Summen für Trophäen auszugeben.”
Erst kürzlich hat das Parlament in Bukarest die jährliche Abschussquote für Bären von 220 auf 481 mehr als verdoppelt. Der Schritt folgte einem Unglück, bei dem ein Braunbär eine junge Wanderin in den Karpaten tödlich verletzte und in den Wald schleppte. In Rumänien, dem Land mit der größten Bärenpopulation Europas, löste der Zwischenfall eine hitzige Debatte aus: Nirgendwo sei man mehr sicher vor Bären, skandierten Vertreter der Jagdlobby.
Endlich fanden auch Bauern Gehör bei der Bevölkerung; sie klagen schon lange über gerissene Schafe und geplünderte Bienenstöcke. Auch über die Landesgrenzen hinaus sorgte der Vorfall für Schlagzeilen, angeheizt von Bärenattacken in Italien und der Slowakei. In Wien titelte das Boulevardblatt “Kronen Zeitung”: “Bären-Angst ist zurück: Europa auf dem Prüfstand” – immer öfter würden die Tiere für Menschen zur “tödlichen Gefahr”.
In Bukarest rief Ministerpräsident Marcel Ciolacu die Parlamentarier nach dem Tod der 19-Jährigen aus der Sommerpause zurück: Bei einer Sondersitzung beschlossen sie die neue Abschussquote. “Dieses Gesetz wurde, basierend auf Emotionen, schnell verabschiedet. Fakten und Wissenschaft wurden dabei nicht berücksichtigt”, moniert WWF-Biologe Papp.
Kritikern versicherte Premier Ciolacu: “Es wird keine rechtsfreie Zone bei Bärenabschüssen in Rumänien geben.” Dennoch löste der Regierungsvorstoß einen Trend aus, den Umweltschützer als “Hysterie” bezeichnen. Das neue Gesetz spiele sowohl der Jagdlobby als auch der Regierung in die Hände – Leidtragende seien die Tiere.
Tatsächlich wird der Bär nun zum Jagdobjekt, nicht zuletzt aus kommerziellen Gründen: So bieten Veranstalter ein Paket mit Bärenabschuss ab 1.200 Euro an. Hinzu kommen Steuern für die Trophäe, die 5.000 Euro und mehr ausmachen können. Etwa 6.000 bis 8.000 Bären leben in Rumäniens Wäldern. Um Konflikte zwischen den Raubtieren und Menschen zu vermeiden, müsse die Population deutlich reduziert werden, argumentieren Jagdbefürworter.
In einem Punkt gibt Papp den Vertretern der Jagdlobby Recht: In Rumänien treffen Mensch und Bär immer öfter aufeinander. Schlechtes Müllmanagement sei dafür ebenso verantwortlich wie Touristen, Reiseführer und Jäger, die Tiere eigens mit Futter anlockten. “Hat sich ein Bär erst einmal an die Lockstoffe gewöhnt, wird er weiter nach der Nahrungsquelle suchen und die Begegnung mit dem Menschen wird unvermeidbar”, so Papp. Seit der Jahrtausendwende wurden in Rumänien 26 Menschen von Bären getötet, weitere 274 verletzt. “Das ist sicherlich eine hohe Zahl schwerer Vorfälle, und viele davon hätten vermieden werden können.”
Aus Sicht des Wissenschaftlers wird der gegenwärtige Jagd-Boom kaum zu einem Rückgang der Angriffe beitragen. Denn während reiche Jagd-Touristen es auf stattliche Trophäen-Exemplare abgesehen hätten und diesen in den Wäldern auflauerten, würden die meist viel kleineren Problem-Bären in Siedlungsnähe ignoriert. “Konflikte mit Bären sind recht komplex und erfordern verschiedene Arten von Lösungen”, erläutert Papp.
Er plädiert für eine Lösung, die sich an Fakten und dem eigentlichen Problem orientiere: “Um kurzfristig etwas zu erreichen, muss man sich auf die Problem-Bären konzentrieren. Das aktuelle Gesetz gibt keine Garantie dafür, dass diese entfernt werden.” Langfristig helfe nur Distanz zwischen Mensch und Tier: durch korrekte Müllentsorgung, ein Fütterverbot, Aufklärung für lokale Gemeinden und Touristen sowie die Beobachtung von Problem-Bären. “Jagd allein kann das Problem nicht lösen”, betont Papp.