Die Reform hat sich immer wieder verzögert – auch weil Bund und Länder zerstritten sind. Jetzt hat zumindest die Bundesregierung die Krankenhausreform auf den Weg gebracht – ein Prestigeprojekt von Karl Lauterbach.
Das Bundeskabinett hat den Weg für die geplante Krankenhausreform frei gemacht. Damit kann der Gesetzentwurf, der als zentrales Vorhaben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gilt, in den Bundestag gehen. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nennt zentrale Bestandteile des Reformvorhabens.
Bislang gibt es in Deutschland rund 1.900 Krankenhäuser – nach internationalen Vergleichswerten viel zu viele. Zugleich bestehen in einigen, vor allem ländlichen Regionen Versorgungslücken, während in großen Städten ein Überangebot zu verzeichnen ist. Sinkende Patientenzahlen durch zunehmende ambulante Behandlung, Personalnot und stark steigende Kosten legen es nahe, die Zahl der Häuser zu verringern.
Deutschland gibt zwar sehr viel Geld für das Gesundheitssystem aus, dennoch gilt die Behandlungsqualität als mittelmäßig. Manche Krankenhäuser führen komplizierte Behandlungen – etwa bei Brustkrebs oder Herzinfarkt – durch, obwohl sie dafür wenig medizinische Erfahrung haben oder schlecht ausgestattet sind.
Das bestehende Vergütungssystem mit festen Fallpauschalen pro Eingriff begünstigt Kliniken, die möglichst viele und teure Behandlungen durchführen, die medizinisch möglicherweise nicht notwendig sind. So gibt es in Deutschland vergleichsweise weit mehr Knie- und Hüftoperationen als in anderen Ländern. Andererseits führt das Vergütungssystem dazu, dass sich bestimmte Bereiche wie Geburtsstationen, Kinder- und Jugendmedizin wegen geringer Fallzahlen und hohen Vorhaltekosten nicht mehr tragen.
Kernstück der Krankenhausreform ist ein neues Vergütungssystem, das die Kliniken von dem ökonomischen Druck befreien soll, immer mehr Patientinnen und Patienten zu behandeln. Dazu sollen die Fallpauschalen nur noch 40 Prozent der Vergütung ausmachen. Die restlichen 60 Prozent sollen Kliniken allein für das Vorhalten von Leistungsangeboten bekommen. Dazu zählen das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik.
Nein. Ein wesentliches Ziel ist es, die Behandlungsqualität zu verbessern, indem nicht mehr jede Klinik alles machen darf. Krankenhäuser müssen für die von ihnen angebotenen Behandlungen das notwendige Personal, eine angemessene medizinische Erfahrung und die entsprechende Technik vorweisen. Dazu werden ihnen entsprechende, bundesweit einheitliche Leistungsgruppen zugewiesen. Lauterbach verweist immer wieder darauf, dass etwa die Überlebenschancen bei Krebs oder Herzinfarkt stark steigen, wenn spezialisierte Häuser die Behandlung durchführen. Das dürfte auch die Zahl der Kliniken verringern und für mehr große Kliniken sorgen. Zugleich soll aber für Stationen für Kindermedizin, Geburtshilfe, Schlaganfall und Intensivmedizin ab 2027 mehr Geld zur Verfügung gestellt werden. Auch Unikliniken sollen mehr Geld bekommen.
Kürzlich ist beispielsweise das Krankenhaustransparenzgesetz in Kraft getreten. Es gibt ein Online-Verzeichnis, mit dessen Hilfe sich Patienten über die Zahl der jeweiligen medizinischen Behandlungen in jedem Krankenhaus, Komplikationsraten und Personalstärke informieren können. Weitere große Themen sind die Reform der Notfallversorgung und der Rettungsdienste.
Kritiker werfen dem Bundesgesundheitsministerium vor, durch die Definition der Qualitätskriterien die Krankenhausplanung an sich zu ziehen und zu zentralisieren, für die eigentlich die Bundesländer zuständig sind. Es drohe eine Reform am Reißbrett. Mehrere Länder haben deshalb mit einer Klage gedroht; sie wollen Lauterbach zwingen, die Reform nur mit Zustimmung des Bundesrats zu verabschieden.
Die Ländern dringen auch auf eine stärkere Entbürokratisierung sowie eine deutlichere Öffnung der Sektorengrenzen, so dass in den Krankenhäusern künftig mehr ambulante Leistungen erbracht werden können. Sie pochen auch auf eine Auswirkungsanalyse bis spätestens Ende des Jahres, die nicht nur den Bedarf, sondern auch finanzielle Auswirkungen der Reform auf die Kliniklandschaft aufzeigen solle.
Sie haben Angst, dass kleinere Krankenhäuser geschlossen werden. Dadurch könnten sich die Gesundheitsversorgung und die Hilfe im Notfall verschlechtern; die Menschen müssten weitere Wege in Kauf nehmen. Allerdings sieht die Reform vor, dass bedarfsnotwendige Krankenhäuser auf dem Land erhalten bleiben, um die medizinische Grundversorgung zu gewährleisten. Dazu sollen sie jährliche Förderbeträge erhalten. Bestehende Kliniken können demnach in eine “sektorenübergreifende Versorgungseinrichtung” umgewidmet werden. Dort sollen wohnortnah keine komplizierten Eingriffe mehr gemacht werden, sondern unter anderem Pflege und kleinere Operationen. Lauterbach garantiert in seinem Gesetzentwurf zudem eine schnelle Erreichbarkeit. Darunter versteht er maximal 30 Pkw-Minuten zur nächsten Chirurgie und Inneren Medizin, 40 Pkw-Minuten für alle anderen Leistungen.
Für die Reform soll ein Transformationsfonds mit einem auf zehn Jahre berechneten Gesamtvolumen von 50 Milliarden Euro errichtet werden. Er soll je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert werden. Der Bund will seinen Anteil allerdings aus dem Gesundheitsfonds der Krankenkassen finanzieren. Dagegen könnten die Kassen klagen. Die Organisation der Gesundheitsversorgung sei staatliche Pflichtaufgabe und Sache der Steuerzahler und nicht der Beitragszahler, argumentieren sie.
Angedacht ist, dass die Reform zum 1. Januar 2025 in Kraft treten soll. Die Bundesländer sollen in den Jahren 2025 und 2026 die geplanten Leistungsgruppen zuordnen, und die Finanzierungsreform soll 2029 ihre volle Wirkung entfalten.