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Forscher tauschen Erkenntnisse zu Corona und Long-Covid aus

Mit Blick auf künftig drohende Seuchen haben führende Wissenschaftler aus Niedersachsen die Bedeutung der Corona-Forschung herausgestrichen. „Wir werden die nächste Pandemie innerhalb der nächsten zehn Jahre sehen“, sagte der Direktor der Klinik für Pneumologie und Infektiologie der Medizinischen Hochschule Hannover, Tobias Welte, am Rande einer Tagung des Covid-19-Forschungsnetzwerks Niedersachsen (Cofoni) am Donnerstag in Hannover. Ziel der Konferenz war es, Erkenntnisse aus mehr als drei Jahren gemeinsamer Corona-Forschung, etwa zu Long-Covid, auszutauschen. Die Landesregierung hat für das im Oktober 2020 gegründete Netzwerk nach eigenen Angaben bisher rund 19 Millionen Euro bereitgestellt.

Welte verwies auf den Schub, den die Pandemie der Forschung gegeben habe. Hierfür müsse man „als Infektiologe fast dankbar sein“. Denn Infektionskrankheiten seien in ärmeren Ländern „die Todesursache Nummer eins“ und hätten auch hierzulande vielfältige gesundheitliche Langzeitprobleme zur Folge. Long-Covid müsse weiter erforscht werden, weil ähnliche Syndrome auch für andere Virusinfektionen typisch seien. Die zugrundeliegenden Krankheitsmechanismen, etwa in Form deregulierter Immunreaktionen, seien im wesentlich noch nicht verstanden.

Ungeklärt ist Welte zufolge auch, warum Kinder seit Ende der Pandemie vermehrt unter bakteriellen und viralen Infektionen leiden. Dass die Erreger aggressiver geworden seien, habe die Wissenschaft bereits ausgeschlossen, erläuterte der Mediziner. Offenbar habe sich das Immunsystem durch die Pandemie und die Corona-Maßnahmen verändert. Dies müssen noch besser verstanden werden, auch um Nutzen und Risiken von Maßnahmen künftig besser abwägen zu können.

Die Leiterin der Arbeitsgruppe Infektions-Biochemie der Tierärztlichen Hochschule Hannover, die Biologin Maren von Köckritz-Blickwede, warnte: „Viele Infektionserreger stehen vor der Tür.“ So seien infolge des Klimawandels auch in Deutschland sogenannte vektorübertragene Krankheiten zunehmenden relevant, also Infektionen, die beispielsweise durch Mücken oder Zecken übertragen werden. Auch gegen Zoonosen und Influenza-Viren müsse sich der Mensch wappnen.

Der Leiter des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen (Sofi), Berthold Vogel, bezeichnete die Pandemie als „Weckruf“ für die Wissenschaft. Die gesellschaftlichen Effekte würden erst allmählich sichtbar, beispielsweise im Hinblick auf Kinder und Jugendliche, die öffentliche Gesundheitsversorgung und die Arbeitswelt. In diesen drei Bereichen werde Cofoni weiter Schwerpunkte setzen. Gesellschaftspolitisch gelte es, „unsere öffentlichen Infrastrukturen und unsere Daseinsvorsorge resilienter und zukunftssicher zu machen“, sagte Vogel. Eine weitere Frage sei, wie wissenschaftliche Erkenntnisse künftig für alle gesellschaftlichen Gruppen nachvollziehbar und verständlich kommuniziert werden können.

An dem Netzwerktreffen in der Medizinischen Hochschule Hannover nahmen nach Angaben der Veranstalter mehr als 170 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Wissenschaft, Gesundheit, Politik und Medien teil.