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Forscher entwickeln Bluttest, um alternde Organe zu erkennen

Wer 60 Jahre alt, kann biologisch viel älter oder auch viel jünger sein. Wissenschaftler entwickeln Bluttests, die das Alter einzelner Organe ermitteln können. Und mögliche Krankheiten erkennen sollen.

Rund jeder fünfte gesunde Erwachsene ab 50 Jahren hat laut einer Studie ein Organ, das schneller altert als für das zeitliche Alter üblich. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende aus Kalifornien, die Blutproben von 5.678 Personen auswerteten und anhand der Daten einen Bluttest entwickelten, mit dem das biologische Alter von bisher elf Organen bestimmt werden kann.

Dieser Test könnte zukünftig Aufschluss darüber geben, ob und welche Organe im Körper einer Person schneller altern, sodass therapeutische Maßnahmen ergriffen werden können, lange bevor sich Gesundheitsprobleme zeigen. Wissenschaftler aus Deutschland bezeichneten die Ergebnisse als vielversprechend, warnten aber vor voreiligen Schlüssen und Hoffnungen. Die Ergebnisse wurden am Mittwoch im Fachjournal “Nature” veröffentlicht. Das in Köln ansässige Science Media Center (SMC) berichtete vorab darüber und holte Stellungnahmen deutscher Wissenschaftler ein.

Laut Studie werden international bereits kommerzielle Tests zur Bestimmung des biologischen Alters angeboten. Sie können laut Herstellern Aussagen darüber treffen, ob ein Mensch seinem zeitlich gemessenen Alter voraus ist oder sich noch unter der Summe seiner Lebensjahre befindet. Das Forschungsteam um Tony Wyss-Coray fand in Tierstudien mit Mäusen allerdings heraus, dass verschiedene Organe einzigartige molekulare Alterungsprozesse aufweisen und die Zeitpunkte für die Anfälligkeit beziehungsweise Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten in bestimmten Organen variierten.

Um nun zu testen, ob es auch beim Menschen möglich ist, unterschiedliche Alterszustände von Organen zu messen, griffen die Autoren der Studie auf vorhandene Methoden zur Bestimmung organspezifischer Eiweißbestandteile zurück. Mit Daten von 1.398 gesunden Personen unterschiedlichen Alters wurde eine KI trainiert, die für elf Organe das Protein-Profil abhängig vom Alter darstellt. Dieses Modell wurden anschließend mit weiteren 4.280 Personen getestet.

Sie stellten fest, dass bei 18,4 Prozent der über 50-Jährigen mindestens ein Organ deutlich schneller altert als der Durchschnitt. Diese Personen haben laut der Auswertung ein erhöhtes Risiko, in den nächsten 15 Jahren an dem betreffenden Organ zu erkranken. Nur etwa eine von 60 Personen in der Studie hatte zwei altersauffällige Organe.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass ihr Test helfen könnte, bei scheinbar gesunden Personen Anzeichen für altersbedingte Krankheiten bestimmter Organe festzustellen. Als Beispiele nennen sie ein “älteres” Gehirn als Indikator für neurodegenerative Erkrankungen wie Demenz, “alte” Nierenwerte für Bluthochdruck und Diabetes sowie gealterte Herzwerte für Herzerkrankungen. Drei der Autoren ließen bereits ein Patent anmelden und gründeten ein Unternehmen, um die Kommerzialisierung ihrer Erkenntnisse zu erforschen.

Der Göttinger Mediziner Andre Fischer bezeichnete die Ergebnisse der Autoren als “äußerst vielversprechend”. Sie stellten jedoch noch keinen prädiktiven Bluttest dar, betonte der Professor am Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen. “Vielmehr sind die vorgestellten Daten ein wichtiger Baustein, um proteinbasierte Blut-Tests zur Früherkennung von Krankheiten zu entwickeln.”

Auch Joris Deelen, Leiter der Forschungsgruppe Genetik und Biomarker des menschlichen Alterns am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln, bezeichnete die Ergebnisse als “sehr spannend”. Die Erstellung von organbasierten Altersscores sei eine innovative Methode, um die Alterung einzelner Organe zu betrachten. Allerdings sei noch unklar, wie gut organbasierte Altersscores altersbedingte Krankheiten vorhersagen könnten. “Obwohl die ersten Ergebnisse dieser Studie vielversprechend sind, ist es noch ein weiter Weg, bis diese organbasierten Altersscores in der (klinischen) Praxis eingesetzt werden können”, sagte Deelen.