In Hessen gibt es nach Angaben des Senckenberg-Forschungsinstituts in Gelnhausen derzeit sechs Wolfsterritorien. Jeweils ein Rudel, also ein Elternpaar mit Welpen, gebe es bei Rüdesheim und Wildflecken, sagte der Leiter der Wildtiergenetik, Carsten Nowak, am Mittwoch. Ein Wolfspaar sei bei Butzbach registriert worden, jeweils einzelne Wölfe bei Greifenstein, Ludwigsau und Spangenberg. Vor einem Jahr war noch ein weiteres Rudel bei Waldkappel verzeichnet worden. Im Januar wurde dort aber wieder der Nachweis eines Wolfes gefunden. Ein Territorium umfasst rund 250 Quadratkilometer.
Die Zunahme der Wölfe in Hessen verlaufe „moderat“, sagte Nowak. Nachdem der erste Wolf 2008 im Reinhardswald sesshaft geworden sei, habe es erst seit 2020 eine Zunahme an Wölfen in damals vier Territorien gegeben. Dabei sei das Bundesland mit mehreren waldreichen Mittelgebirgen als Zuhause für Wölfe sehr geeignet. Das 2021 gegründete „Wolfszentrum Hessen“ in Gießen registriere alle Wolfsnachweise und Nutztierschäden und informiere über den Wolf und den Herdenschutz. Bei den in diesem Jahr bisher gemeldeten acht Nutztierschäden sei in zwei Fällen kein Wolfriss nachgewiesen worden, in den anderen Fällen stehe die Untersuchung noch aus.
Wölfe fressen nach den Worten von Nowak zu 98 Prozent Wildtiere. Allerdings gebe es einzelne Wölfe, die viel Schaden an Nutztieren anrichteten. Statt eine allgemeine Abschussquote gegen die geschützten Wölfe einzuführen, sei es wirksamer, einzelne Tiere zu schießen, die es gelernt hätten, Schutzzäune zu überwinden. Im Jahr würden rund 4.000 Risse von Nutztieren in Deutschland verzeichnet, sagte Nowak. Entsprechende Zäune böten dagegen wirksamen Schutz. Ein „normaler“ Wolf in der Region sei der beste Schutz für Herdentiere davor, dass andere Wölfe in das Territorium eindringen.
„Als Mensch muss ich keine Angst vor Wölfen haben“, versicherte der Wissenschaftler. In Deutschland habe es bisher noch keinen Übergriff eines Wolfes auf einen Menschen gegeben, wobei man dies nicht gänzlich ausschließen könne.
Die Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung untersuche als „Nationales Referenzzentrum für genetische Untersuchungen bei Luchs und Wolf“ in Gelnhausen jährlich rund 6.000 genetische Proben aus ganz Deutschland auf Wolfsverdacht, erläuterte Nowak. Die Proben würden in vier bis sechs Tagen nach wissenschaftlichen Labormethoden untersucht. Die Sicherheit des Ergebnisses schwanke je nach Art, Güte und Alter des Materials. Bei einer Gewebe- oder Blutprobe könne die DNA zu 100 Prozent sicher bestimmt werden, bei einem Tierriss zu 74 Prozent.
Bundesweit sind nach Nowaks Angaben im Untersuchungsjahr 2022/2023 184 Rudel, 47 Paare und 22 Einzeltiere registriert worden. Durch DNA-Analysen seien 1.001 Wölfe nachgewiesen worden, dazu kämen weitere Nachweise durch Fotofallen oder Funde von toten Tieren. Das Hauptverbreitungsgebiet der Wölfe erstrecke sich in einem breiten Band von der Lausitz im Südosten bis in den Nordwesten Niedersachsens. Jährlich wachse der Bestand durch Welpen um rund ein Drittel, wobei der Zuwachs in den vergangenen Jahren abgeflacht sei. Zuwanderer aus Nachbarländern spielten kaum eine Rolle.