Fentanyl gehört zu den gefährlichsten Opioiden. In den USA tötet es jedes Jahr Zehntausende Menschen. Wie verbreitet ist die illegale Droge in Deutschland?
75.000 Menschen starben nach Schätzungen des National Center for Health Statistics 2023 in den USA an einer Überdosis Fentanyl. Die Zahlen steigen weiter an: Allein zwischen 2016 und 2021 haben sich die Todeszahlen demnach mehr als verdreifacht. Die Droge ist Bestandteil verschiedener Medikamente, wird aber auch als Bestandteil illegaler Drogen verkauft und beigemischt. Drogenexperten befürchten nun, dass sich Fentanyl auch in Deutschland auf dem Schwarzmarkt ausbreiten könnte.
“In den letzten Monaten bekamen wir Hinweise, dass in Deutschland vermehrt Opioide wie Fentanyl und Nitazen im Umlauf sind”, sagt Maria Kuban, Drogenberaterin der Deutschen Aidshilfe. Mit dem Bundesmodellprojekt RaFT führte sie im Jahr 2023 in Drogenkonsumräumen in Deutschland an Heroinproben Schnelltests durch. Bei drei Prozent der untersuchten Proben konnten die Mitarbeitenden Fentanyl nachweisen, wie es heißt.
Wie Morphin oder Heroin gehört Fentanyl zu den synthetischen Opioiden. Als Medikament kommt es bei starken chronischen Schmerzen zum Einsatz. Seine Wirkung ist im Vergleich zu Morphin laut Drogenagentur der Europäischen Union jedoch 80 Mal höher. Für den Menschen ist bereits eine Dosis von zwei Milligramm tödlich.
“Fentanyl sollte in der Medizin nicht leichtfertig verschrieben werden”, sagt Kuban. Beim Absetzen entsprechender Medikamente könne es zu Schwierigkeiten kommen. Aber: “In Deutschland stellen wir fest, dass Ärzte relativ häufig Fentanyl verabreichen.” Laut einer Studie der Handelskrankenkasse haben sich die Verschreibungszahlen opioidhaltiger Schmerzmittel in Deutschland ab dem Jahr 2000 innerhalb von 20 Jahren mehr als verdoppelt. Deutschland liegt auf dem Weltmarkt für medizinisches Fentanyl auf dem zweiten Platz.
In Stichproben tauchte es in den Städten Hamburg, Münster und Düsseldorf besonders häufig auf. Der Polizei Hamburg liegen auf Nachfrage bei der Pressestelle für Fentanyl allerdings keine statistischen Erhebungen vor. Eine Differenzierung mit dem Merkmal “Fentanyl” erfolge nicht.
Die zuständige Fachdienststelle des LKA Hamburg habe in der Vergangenheit “vereinzelt Fentanyl betreffende Sachverhalte festgestellt”. Die Droge spiele bislang im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität aber eine eher untergeordnete Rolle. An der Einschätzung habe sich auch in den vergangenen Jahren nichts geändert.
Drogenexperten befürchten jedoch, dass die Dunkelziffern deutlich höher liegen: Aufgrund der drastischen Wirkung von Fentanyl genügen auf dem Schwarzmarkt bereits kleine Mengen. Durch Zollkontrollen lässt es sich schwerer aufspüren als andere synthetische Drogen wie Heroin.
Die Situation könnte sich in den kommenden Jahren außerdem verschärfen: 2022 verboten die Taliban in Afghanistan den Anbau von Schlafmohn – die natürlich Herkunftspflanze von Heroin. Schon Ende 2023 meldeten die Vereinten Nationen, dass die Produktion von Opium seitdem um 95 Prozent zurückgegangen sei. Sie warnten zugleich davor, dass Fentanyl auf dem Schwarzmarkt zu einer gefährlichen Ersatzdroge werden könnte.