Seit 2014 sind Wissenschaftler damit beschäftigt, die Tagebücher des Münchner Kardinals Michael von Faulhaber nach und nach online zugänglich zu machen. Jeder Jahrgang hat seine eigene politische Brisanz.
In der wissenschaftlichen Ausgabe der Tagebücher des Münchner Kardinals Michael von Faulhaber (1869-1952) liegen nun die Jahrgänge 1920 bis 1922 online vor. Aus den Aufzeichnungen geht laut Mitteilung der Herausgeber vom Mittwoch in München und Münster hervor, wie sich der Kirchenmann mit dem Zentrumspolitiker und Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer anlegte. Anlass war der Auftakt zum Katholikentag, der vom 27. bis 30. August 1922 in München stattfand.
Mit seiner in Teilen hochpolitischen Eröffnungsansprache beim Gottesdienst am Königsplatz vor 120.000 Menschen provozierte der Kardinal einen Eklat, den er wenig später beklagte. So bezeichnete er die Revolution vom November 1918, die die Monarchie in Deutschland abgeschafft hatte, als “Meineid und Hochverrat”. Adenauer reagierte darauf, indem er die “deutsche Verfassung in Schutz” nahm.
Obwohl Faulhaber die Brisanz seiner Ausführungen erkannt habe, “denn in jenen Tagen kriselte es sehr bedenklich für einen Rechtsputsch”, mäßigte er seine Worte nicht, heißt es. Allerdings sah er sich auch nicht in der Mitverantwortung, “wenn ein Putsch zeitlich mit dem Katholikentag zusammenfallen sollte”.
Aus den Aufzeichnungen von 1920 wird deutlich, dass trotz des Endes der Räteherrschaft in Bayern im Frühjahr 1919 die Furcht vor einer neuerlichen Revolution von Links fortbestand. Als ordnungspolitischer Garant gegen “Chaos und Bolschewismus” galten auch dem Münchner Erzbischof die aus den Freikorps und Bürgerwehren hervorgegangenen Einwohnerwehren.
Faulhaber missbilligte, dass sie entwaffnet werden sollten, wie dies die Alliierten forderten. Eine offizielle Parteinahme des Klerus zugunsten der Einwohnerwehren lehnte Faulhaber ab. Doch dem Engagement Geistlicher in den paramilitärischen Organisationen begegnete er durchaus wohlwollend – es gehe doch um “Ordnung”.
1921 ist das Jahr, in dem Erzbischof Faulhaber am 7. März in den Kardinalsstand erhoben wurde. Anlässlich der Beisetzung des bayerischen Königspaars Ludwig III. und Marie Therese am 5. November 1921 im Münchner Dom machte der Kirchenmann einmal mehr deutlich, wie sehr er das neue demokratische System ablehnte. In seiner Rede sagte er: “Könige von Volkes Gnade sind keine Gnade für das Volk, und wo das Volk sein eigener König ist, wird es über kurz oder lang auch sein eigener Totengräber.”