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Fachleute: Klimawandel belastet Psyche – Kommunikation hilft

Angst vor den Folgen des Klimawandels betrifft immer mehr Menschen. Ein Experte erklärt, was sie auslöst – und wie sie sich von echten Erkrankungen unterscheidet. Die gute Nachricht: Gegenmaßnahmen gibt es auch.

Extremwetter und Temperaturschwankungen belasten nicht nur den menschlichen Körper. Auch psychische Auswirkungen sind vielfältig, in Deutschland allerdings noch kaum erforscht: Das kritisiert der Forscher Torsten Grothmann. Besonders gefährdet seien Kinder, Jugendliche und Menschen über 75 Jahren, sagte der Oldenburger Professor für Ökologische Ökonomie am Mittwoch bei einer Veranstaltung des Zentrums KlimaAnpassung (ZKA).

So hätten nach der Flut im Ahrtal vor knapp vier Jahren depressive Episoden im Kindesalter deutlich zugenommen, sagte Vivianne Rau, ZKA-Expertin für Gesundheit und soziale Einrichtungen. Eine US-Studie habe zudem einen Zusammenhang zwischen großer Hitze und mehr hasserfüllten Online-Kommentaren gezeigt; in Deutschland sei eine leicht erhöhte Suizidrate bei Temperaturanstiegen von einem Grad im Frühling und Sommer nachgewiesen.

Vereinfacht könne man sagen, dass Extremwetterlagen eher Ängste, Depressionen oder Posttraumatische Belastungsstörungen begünstigten, sagte Grothmann. Graduelle Veränderungen, etwa bei der Temperatur, wirkten sich eher auf Aggressionen oder Selbstverletzungen aus. Eine hohe Luftverschmutzung wiederum, insbesondere durch Feinstaub, trage zu einem Anstieg demenzieller Symptome bei und ebenso zu Rückfällen bei Menschen mit schizophrenen Psychosen.

Dagegen entstünden Klimaangst oder sogenannte Solastalgie, also die Trauer um einen verlorenen Lebensraum, zumeist im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Debatte um das Thema. Der Experte mahnte indes, diese berechtigten Reaktionen nicht zu pathologisieren oder als irrational abzutun.

Wichtig sei, sich auf einen Umgang mit Verlust einzustellen, etwa von liebgewonnen Naturräumen: “Denn das steht uns auf jeden Fall bevor”, betonte Grothmann. Zugleich sei ein hohes Vertrauen in künftige Lösungen ebenso hilfreich für die eigene Psyche wie Engagement für den Klimaschutz. Zwar könnten Forscherinnen und Aktivisten bei Misserfolgen oder zu viel Auseinandersetzung mit der Klimakrise auch in einen Burnout geraten, doch bei ehrenamtlichem Einsatz gebe es mehr Hinweise auf einen positiven Einfluss.

Allerdings sei es nicht nur für die Einzelnen ratsam, individuelle Widerstandsfähigkeit aufzubauen, fügte der Forscher hinzu. Vielmehr sei es eine Hauptaufgabe der Kommunen, Stadtnatur zu erhalten und auszubauen – und so neben dem Klima auch die menschliche Gesundheit zu stärken. Straßenbegrünung spiele dafür eine Rolle, ebenso die Senkung von Luftverschmutzung und Lärmbelastung.

Er riet zudem dazu, verstärkt auf Klimaschutz-Kommunikation zu setzen, um Ohnmachtsgefühle zu mindern. Umfragen zeigten, dass sich über die Hälfte der deutschen Bevölkerung von der Sorge um das Klima stark oder sehr belastet fühle; in anderen Befragungen äußerten sich sogar zwei Drittel stark oder sehr stark besorgt. Grothmann ist Mitautor des “Ratgebers für mentale Gesundheit im Klimawandel”, den das Bundesumweltamt kürzlich veröffentlicht hat.