Pflegefachkräfte werden nach Angaben der Pflegewissenschaftlerin Annette Riedel in ihrem beruflichen Alltag immer wieder mit Todes- und Suizidwünschen der von ihnen betreuten Menschen konfrontiert. „Sie können sich diesen Wünschen und den damit verbundenen Erwartungen nicht entziehen“, sagte die Pflegeprofessorin an der Hochschule Esslingen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Für diese „hochsensible Thematik sind umfassendes Wissen, eine persönliche Haltung und ein professioneller Umgang nötig“. Allerdings seien Pflegekräfte auf den Umgang mit Anfragen nach Suizidassistenz nicht angemessen vorbereitet, bedauert Riedel, die ein Forschungsprojekt dazu leitet.
Der Forscherin zufolge fehlen bislang Leitlinien, wie Pflegefachpersonen mit Suizidwünschen umgehen sollen. In einem Projekt will daher eine Gruppe von Wissenschaftlern die nationale Forschungslücke schließen. Das dreijährige Projekt wird vom Bundesgesundheitsministerium mit 470.000 Euro gefördert. Die Ethik- und Praxisleitlinien für stationäre Einrichtungen und ambulante Dienste sollen gemeinsam mit Pflegefachkräften verschiedener Pflegeunternehmen erarbeitet werden. Sie sollen den Pflegekräften ermöglichen, professionell mit Fragen nach Suizidassistenz umzugehen wie auch Suizide zu verhindern, erklärt Riedel.
Die Esslinger Wissenschaftlerin stellt klar: „Todes- wie auch Suizidwünsche kommen sehr unterschiedlich zum Ausdruck.“ Nicht immer sei die Äußerung eines Todeswunsches oder auch eines Wunsches nach assistiertem Suizid gleichzusetzen mit dem tatsächlichen Wunsch, nicht mehr leben zu wollen. Daher müsse analysiert und hinterfragt werden, welche Gründe der geäußerte Wunsch habe. „Es geht um einen wertschätzenden und zugewandten Umgang mit solchen Wünschen“, betonte Riedel. „Die in der Forschungsarbeit zu entwickelnden Praxis- und Ethikleitlinien sollen dazu beitragen, einen ethisch reflektierten und am Gegenüber ausgerichteten Umgang mit Anfragen nach assistiertem Suizid zu ermöglichen.“ Auch solle die Suizidprävention unterstützt werden.
Nationale und internationale Untersuchungen belegten, dass das Thema in Einrichtungen und Diensten der stationären und ambulanten Langzeitpflege bedeutsam sei. So komme eine Studie aus diesem Jahr zu dem Ergebnis, dass bei rund einem Drittel der in München durch Suizidassistenz Verstorbenen Pflegebedürftigkeit vorlag. Aus dem Ausland sei bekannt, dass es vor allem Menschen über 65 Jahre seien, die eine Suizidassistenz oder Tötung auf Verlangen in Anspruch nähmen. (2072/15.09.2024)