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Expertin: Archäologische Funde liefern den endgültigen Beweis

Archäologische Funde aus der NS-Zeit gewinnen laut Expertenmeinung an Bedeutung – vor allem angesichts der immer kleiner werdenden Zahl an Zeitzeugen. Funde lieferten den endgültigen Beweis, zum Beispiel, dass es Gaskammern gab und dort Menschen zu Tode kamen, sagte Stefanie Berg vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Damit könne man auch einer zunehmenden Relativierung des Holocaust oder Geschichtsvergessenheit begegnen, wenn es demnächst keine Zeitzeugen mehr gibt, sagte die Abteilungsleiterin für Bodendenkmalpflege im Rahmen eines Treffens von führenden Archäologen aus Bayern und Österreich.

Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege und das österreichische Bundesdenkmalamt veröffentlichten am Mittwoch in der Dokumentation Obersalzberg ein Positionspapier, das sich mit der Bedeutung und dem Umgang mit archäologischen Funden aus der NS-Zeit befasst. Die allermeisten Funde kämen bei Grabungen im Zusammenhang mit Bauarbeiten zutage, im vergangenen Jahr waren das bayernweit rund 900, sagte Berg. Gefunden würden dabei vor allem Alltagsgegenstände, die die Geschichte zwar nicht grundlegend neu schreiben, aber wichtige Einblicke geben.

Als Beispiel nannten sie eine vor zwei Jahren auf dem Obersalzberg bei Bauarbeiten gefundene kleine Metalldose mit der Aufschrift „Gummischutz Dublosan“. Diese untermauere die bereits bekannte Doppelmoral in der NS-Zeit im Umgang mit Sexualität. Soldaten konnten mit Dublosan – in Form von Kondomen – verhüten und sich gegen Geschlechtskrankheiten schützen. Das widerspreche natürlich dem offiziellen Bild, das die Nationalsozialisten abgeben wollten, sagte Berg. Kondome seien verboten gewesen, Nachwuchs hingegen höchst willkommen – allein für Kriegszwecke.

Warum nicht gezielt nach NS-Überresten gesucht wird, sondern so gut wie immer bei Bauarbeiten, hat laut Stefanie Berg mehrere Gründe. Zum einen liegt es an der schieren Masse der vermuteten Überreste im Boden – etwa im Umfeld von ehemaligen Konzentrationslagern, Arbeitslagern oder NS-Gebäuden. Allein Arbeitslager habe es auf deutschem Boden rund 45.000 gegeben, in München mehrere hundert. Zum anderen sind frühere NS-Areale längst wieder bebaut, gezielte Grabungen also gar nicht möglich. Das Landesamt für Denkmalpflege schaltet sich daher gezielt ein, wenn Gebäude abgerissen werden oder wenn neu gebaut wird und im Boden NS-Überreste vermutet werden.

Der Obersalzberg oberhalb von Berchtesgaden war ab 1933 Feriendomizil von Adolf Hitler und NS-Funktionären. Später wurde das Gelände zum „Führersperrgebiet“ ausgebaut. In Hitlers „Berghof“, der als zweiter Regierungssitz neben Berlin galt, traf Hitler Entscheidungen zu Krieg und Völkermord. Seit 1999 ist dort die Dokumentation Obersalzberg mit ihren Ausstellungen untergebracht. (01/2087/10.07.2024)