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Expertenrat: Verkehrssektor verfehlt Klimaziele erneut

Deutlich hat der Verkehrssektor im vergangenen Jahr die Klimaziele gerissen. In der Energiewirtschaft sind die Emissionen zurückgegangen – was nicht unbedingt eine gute Nachricht ist.

Der Verkehrssektor verfehlt die Klimaziele erneut
Der Verkehrssektor verfehlt die Klimaziele erneutImago / Schöning

Der Ausstoß klimaschädlicher Gase ist 2023 um rund zehn Prozent binnen Jahresfrist gesunken und damit so stark wie seit 1990 nicht. Der unabhängige Expertenrat für Klimafragen bestätigte in seinem Prüfbericht die Mitte März veröffentlichten Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA). Allerdings hat der Verkehrssektor zum dritten Mal in Folge die im Bundes-Klimaschutzgesetz zulässige Jahresemissionsmenge überschritten. Umwelt- und Sozialverbände forderten die Bundesregierung zum Handeln auf.

Dem Expertenrat zufolge müsste Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bis Juli erneut ein Sofortprogramm zur Minderung der klimaschädlichen Emissionen vorlegen. Auch Bauministerin Klara Geywitz (SPD) wäre dazu verpflichtet. Allerdings könne man die Überschreitung des Jahresziels angesichts der erheblichen Unsicherheit der berechneten Daten für den Gebäudesektor nicht sicher feststellen, schränkte der Vorsitzende des Expertenrats, Hans-Martin Hennig, ein. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) erklärte, der Gebäudesektor habe sein Minderungsziel erstmals nahezu erreicht.

Klimaschutzgesetz: Novelle in der Kritik

Das Klimaschutzgesetz legt die Schritte zu Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2045 fest, wenn Deutschland klimaneutral wirtschaften soll. Werden die Ziele in den verschiedenen Sektoren verfehlt, müssen die zuständigen Ministerien ein Vierteljahr später ein Sofortprogramm nachschieben. Die Ampel-Regierung hat aber Ende 2023 eine Novelle des Klimaschutzgesetzes vorgelegt, die die Verantwortlichkeiten der Ministerien aufweicht und vom Expertenrat im vergangenen Jahr bereits deutlich kritisiert worden war. Wegen Uneinigkeit in der Koalition wurde sie bisher nicht verabschiedet.

Verkehrsminister Wissing dringt besonders auf die Gesetzesänderung, mit der die Sofortprogramme abgeschafft würden und die Bundesregierung im Ganzen für die Einhaltung der Klimaziele über alle Sektoren sorgen müsste. Gemeinsam mit seinem Parteikollegen und Finanzminister Christian Lindner droht er seit Kurzem damit, dass andernfalls mehr Klimaschutz im Verkehrssektor auch Fahrverbote bedeuten könne. Dagegen erklärte das Wirtschafts- und Klimaministerium von Robert Habeck (Grüne), der Experten-Bericht bestätige „den dringenden klimapolitischen Handlungsbedarf, insbesondere im Verkehrssektor“.

Den vom Expertenrat überprüften UBA-Berechnungen zufolge sind die CO2-Emissionen von 2022 auf 2023 um 76 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente zurückgegangen. Der Verkehrssektor hat hingegen die im Bundes-Klimaschutzgesetz zulässige Jahresemissionsmenge um fast 13 Millionen Tonnen deutlich überschritten. Grund zur Entwarnung sehen die Wissenschaftler aber nicht. Ohne die starken Produktionsrückgänge und die milde Witterung wären die Emissionen 2023 wohl um gut 73 Megatonnen höher ausgefallen und hätten die zulässige Jahresmenge überschritten.

Expertenrat kritisiert Diskussion um Fahrverbote

Bis 2030 müssen die klimaschädlichen Emissionen in Deutschland im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent sinken. Die Klima-Allianz Deutschland forderte die Regierung auf, endlich umzusteuern, statt mit irreführenden Aussagen über Fahrverbote von der eigenen Verantwortung abzulenken. Die Diakonie verlangte staatliche Förderprogramme für energetische Sanierungen, da sich viele Menschen Klimaschutz nicht leisten könnten. Die Deutsche Umwelthilfe erklärte, sie werde mit Klagen den Klimaschutz erzwingen, den die Regierung verweigere.

Der fünfköpfige unabhängige Expertenrat überprüft jährlich auf Basis von Daten des Umweltbundesamtes, ob die Reduktionsziele in sieben Sektoren erreicht wurden, darunter Energiewirtschaft, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Industrie.