Mehr als 200 Kinder wurden im vergangenen Jahr bundesweit Opfer von Menschenhandel. Die Dunkelziffer ist aber weitaus größer, schätzen Experten. In Berlin wurde jetzt die erste bundesweite Beratungsstelle eröffnet.
Minderjährige Jungs, die sich im Berliner Tiergarten prostituieren – oder Mütter, die mit ihren Babys betteln gehen: Nach Einschätzung von Experten gibt es beim Menschenhandel mit Kindern eine hohe Dunkelziffer. “Es ist unsere Pflicht, betroffenen Kindern und Jugendlichen angemessenen Schutz und Beratung zu bieten”, erklärte die UN-Sonderberichterstatterin zum Menschenhandel mit Kindern, Mama Fatima Singhateh, am Mittwoch in Berlin. Es gehöre sehr viel Mut dazu, zu sagen, “‘das ist mir passiert, ich bin Opfer von Menschenhandel'”. Besonders gefährdet seien etwa Minderjährige auf der Flucht nach Europa.
In der Hauptstadt wurde jetzt die erste Beratungsstelle für Minderjährige, die von Menschenhandel betroffen sind, eröffnet. Träger ist der katholische Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit In Via. Finanziert wird die Stelle demnach von der Berliner Senatsverwaltung für Jugend. Sie soll Anlaufstelle für Betroffene sein, aber auch Jugendämtern, Schulen oder Psychologen Expertise bieten.
Menschenhandel und Ausbeutung von Kindern gibt es demnach in vielerlei Formen. Dazu zählen etwa sexuelle Ausbeutung, Arbeitsausbeutung, Ausbeutung von Betteltätigkeiten oder Handel mit Kindern zum Zweck der Organentnahme. Die allermeisten Ausbeutungsformen passierten im Nahumfeld, sagte der Leiter des zuständigen LKA-Kommissariats, Gregor Ott. Meistens handele es sich um sexuelle Ausbeutung.
Rund 230 Kinder waren in Deutschland im vergangenen Jahr laut Statistik des Deutschen Instituts für Menschenrechte von Menschenhandel betroffen. Man gehe aber von einer sehr viel höheren Dunkelziffer aus, sagte Naile Tanis von der unabhängigen Berichterstattungsstelle Menschenhandel des Instituts. Nach Zahlen der bundesweiten Koordinierungskreises gegen Menschenhandel lag im Jahr 2022 der Anteil der Minderjährigen bei 13 Prozent von insgesamt rund 1.700 Betroffenen.
Die Vorsitzende der Expertengruppe des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA), Helga Gayer, erinnerte daran, dass der Europarat Deutschland aufgefordert habe, proaktive Maßnahmen gegen Menschenhandel insbesondere von Kindern zu ergreifen. Betroffene müssten frühzeitig identifiziert und die aufsuchende Arbeit sowie Online-Recherchen verstärkt werden. Auch existierten bisher in Deutschland keine spezialisierten Unterkünfte für betroffene Minderjährige.