Strohfeuer, Jojo-Effekt und Desaster: Die von der Bundesregierung geplante Stützung von Kranken- und Pflegekassen durch Darlehen trifft auf wenig Gegenliebe. Wissenschaftler halten Beitragssteigerungen für nötig.
Die Krankenkasse DAK warnt vor weiter steigenden Beitragssätzen in der Kranken- und Pflegeversicherung. Wissenschaftler erwarten ein Rekordhoch bei den Sozialbeiträgen. Die von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) angekündigten Milliarden-Darlehen für 2025 und 2026 könnten weitere Beitragssprünge nicht verhindert, sagte DAK-Vorstandschef Andreas Storm (Donnerstag) in Berlin. Die Finanzmittel mit Pflicht zur Rückzahlung seien ein Strohfeuer und würden einen Jojo-Effekt auslösen.
Storm präsentierte beim Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit Berechnungen des Beratungsinstituts IGES, nach denen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bereits zum Jahreswechsel 2026 ein Beitragsanstieg um jeweils 0,2 Beitragspunkte drohen. Dann wären für Arbeitnehmer und Arbeitgeber statt aktuell 17,5 Prozent 17,7 Prozent ihres Bruttolohns für die Kassen fällig. 2027 wäre ein weiterer Anstieg um 0,3 Prozentpunkte auf 18 Prozent zu erwarten. In der Pflege ist laut den Berechnungen 2026 ein Anstieg auf 4 Prozent erforderlich; der Beitrag werde dann 2027 erneut um 0,2 Prozentpunkte ansteigen müssen.
Die Wissenschaftler haben eine Gesamtprojektion für alle Zweige der Sozialversicherung (Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung) mit der zu erwartenden Beitragsentwicklung bis 2035 berechnet. Laut IGES-Projektion könnten die Sozialabgaben insgesamt bis 2035 auf 49,7 Prozent steigen; aktuell sind es 42,6 Prozent.
Das gefährde die Funktionsfähigkeit des deutschen Sozialversicherungssystems, warnte Storm. Er forderte einen Stabilitätspakt mit dauerhaft höheren Bundeszuschüssen für Gesundheit und Pflege sowie einer einnahmeorientierten Ausgabenpolitik.
Die Bundesregierung hatte in dieser Woche ein Bundesdarlehen an die soziale Pflegeversicherung von 500 Millionen Euro für 2025 und von 1,5 Milliarden Euro für 2026 zugesagt. Die Gesetzliche Krankenversicherung soll durch zwei neue Darlehen und die spätere Rückzahlung eines alten Darlehens übergangsweise um 5,6 Milliarden Euro entlastet werden. Die Darlehen sind ab 2029 schrittweise zurückzuzahlen.