Die EU kann sich keine Zukunft ohne den Westbalkan vorstellen – mit ihm zumindest derzeit offenbar auch nicht. Zwischen Brüssel und den beiden Streit-Nachbarn Kosovo und Serbien scheint der Graben weiter zu wachsen.
Ein Jahr nach dem “Übereinkommen von Ohrid” zwischen Kosovo und Serbien steht eine Normalisierung der gemeinsamen Beziehungen weiter aus. “Serbien weigert sich, Kosovos Eigenstaatlichkeit wenigstens faktisch anzuerkennen. Vielmehr tut es alles, um Kosovos Staatlichkeit zu unterminieren”, sagte Ulf Brunnbauer, Direktor des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg, am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Beide Länder seien wegen des Streits “weit von einem EU-Beitritt entfernt”.
Die Regierung in Belgrad betrachtet den Kosovo, der 2008 seine Unabhängigkeit ausrief, immer noch als serbische Provinz. Dieses Festhalten ist laut Brunnbauer “stark religiös verankert”: Viele Stätten und Heilige der serbisch-orthodoxen Kirche hätten ihre Wurzeln im Kosovo. “Für Präsident Aleksandar Vucic wiederum bietet die Kosovothematik die Möglichkeit, sich als Verteidiger der serbischen Erde und Nation aufzuspielen”, so der Experte.
Neben dem Streit über Kosovos Unabhängigkeit blockieren Brunnbauer zufolge auch mangelnde Rechtsstaatlichkeit und Korruption den EU-Beitritt. Brüssel wiederum zeige nur “geringen Elan”, den Westbalkan tatsächlich zu integrieren. “Ungarn treibt hier auch sein Unwesen, da es massiv den serbischen Präsidenten unterstützt”, so Brunnbauer. Dies nutzten in jüngerer Vergangenheit Russland und China, um ihren Einfluss in der Region auszuweiten.
Im März 2023 hatten Kosovos Ministerpräsident Albin Kurti und Vucic in der mazedonischen Stadt Ohrid einem Plan zur Normalisierung der Beziehungen zugestimmt – jedoch nicht unterzeichnet. Seither kam es zu Annäherungsversuchen, die auf beiden Seiten von Spannungen überschattet wurden. Als größter Rückschlag gilt der Anschlag serbischer Extremisten im vergangenen September in der kosovarischen Stadt Banjska. Kurtis Regierung wiederum sorgte jüngst mit einem Verbot für Kritik, das die serbische Währung Dinar aus dem von Serben bewohnten Nordkosovo verbannte.