Deutschland habe ein klares Problem mit Islamismus, meint ein Islamwissenschaftler. Härtere Strafen, die derzeit häufig gefordert werden, seien indes kaum eine Hilfe. Er hat andere Vorschläge.
Mehr Religionsunterricht und sinnvolle Inhalte auf Social Media: Diese Maßnahmen fordert der Rechts- und Islamwissenschaftler Mathias Rohe. Deutschland habe “ganz offensichtlich” ein großes Islamismus-Problem, “und nicht erst seit gestern”, sagte Rohe der “Süddeutschen Zeitung” (Dienstag). Zugleich sei wichtig, dass dies nur eine kleine Minderheit der muslimischen Bevölkerung betreffe, “auch wenn das einige in der politischen Debatte anders darzustellen versuchen”.
Harte Strafen, wie sie nach dem tödlichen Angriff auf einen Mannheimer Polizisten geplant sind, lösten nicht die tiefer liegenden Probleme, mahnte der Experte. “Wir müssen mit der Prävention schon in der Schule anfangen. Der islamische Religionsunterricht durch Lehrkräfte, die in Deutschland ausgebildet wurden, muss weiter ausgebaut werden.”
In den Sozialen Medien verbreite sich extremistische Propaganda “rasant”, fügte Rohe hinzu, “mit sehr kurzen und einfachen Botschaften”. Die meisten späteren Attentäter radikalisierten sich heute im Netz, und was dort passiere, hätten die Sicherheitsbehörden noch immer zu wenig im Blick. Zugleich müsse Extremisten in den Sozialen Netzwerken etwas entgegengesetzt werden: “authentische Inhalte”, so Rohe, “von Muslimen an Muslimen, auf Augenhöhe, mit der richtigen Ansprache. Stattdessen drucken manche Einrichtungen noch Broschüren über Prävention bei Jugendlichen. Das Geld könnte man sich sparen.”
Im Bezug auf den Nahost-Konflikt sehe er in Deutschland ein “Empathieproblem”, fügte der Wissenschaftler hinzu. Menschen, die über das Leid in Gaza sprechen wollten, werde ein Vorwurf daraus gemacht – denjenigen, die an das Leid von Juden und Israelis erinnerten, ebenso. “Es ist so viel Feindseligkeit da, wo Leute sich nur noch Trigger-Begriffe um die Ohren werfen: Genozid, Apartheid, Antisemitismus”, so Rohe. “Aber Unrecht und Unrecht heben sich nicht gegenseitig auf, sie addieren sich.”
Gegen Vorurteile sei jede und jeder Einzelne gefragt, sagte der Experte auch mit Blick auf das rassistische Partyvideo von Sylt. “Die Leute meinen jetzt, solche Parolen öffentlich kundtun zu können. Hier müssen wir Gesellschaft entschieden gegenhalten, damit die Leute sich wieder schämen”, erklärte er. Menschen gegen ungerechtfertigte Angriffe in Schutz zu nehmen, sei ein erster Schritt.