Dem armenischen Dorf Vakifli droht ein kultureller Einschlag. Nach einem Erdbeben gibt es nun großflächige Enteignungen – für ein türkisches Wohnbauprojekt.
Das letzte nur von Armeniern bewohnte Dorf in der Türkei ist in seiner Existenz bedroht. Das berichtet der in Wien ansässige Informationsdienst Pro Oriente (Freitag) unter Berufung auf das Portal Syriac Press und die türkische Nachrichtenagentur Bianet. Vakifli liegt in der Provinz Hatay und zählt weniger als 150 Einwohner, die zumeist der armenisch-apostolischen Kirche angehören. Die Dorfbewohner sprechen untereinander in einem einzigartigen lokalen armenischen Dialekt, der als Musa-Dagh-Armenisch bekannt und mit arabischen und türkischen Wörtern durchmischt ist.
Beim Erdbeben im Februar 2023 wurde das Dorf wie die gesamte Region heftig getroffen, viele Gebäude wurden zum Teil schwer beschädigt. Nun droht laut Bericht weitere Gefahr für das Dorf. Die Bewohner befürchten einen demografischen Wandel, weil türkische Behörden unter anderem in Vakifli ein großes staatliches Wohnbauprojekt planten.
Konkret geht es demnach um ein Vorhaben der Wohnungsbaugesellschaft TOKI mit insgesamt 1.353 Häusern im Distrikt Samanda in der Provinz Hatay, so auch in Vakifli. Die Dorfbewohner befürchten, dass das Bauprojekt das historische, kulturelle und soziale Gefüge des Dorfes verändern würde. Fast die Hälfte des Dorfes sei von Enteignung bedroht.
Mit der Behörde gab es laut “Syriac Press” in den vergangenen Jahren bereits Konflikte in der Provinz Mardin, wo es noch einige von syrischen Christen bewohnte Dörfer gebe. Auch seien Bauprojekte auf Grundstücken armenisch-katholischer Friedhöfe in Ankara und Van umgesetzt worden.
Schon vor Jahren hatte laut Bianet die armenische Kirchenstiftung von Vakifli ein Gerichtsverfahren eingeleitet, um 36 Immobilien zurückzufordern, die man als Eigentum der armenischen Gemeinschaft identifiziert hatte. Diese Grundstücke seien im Laufe der Zeit an die Staatskasse oder an Privatpersonen übertragen worden. Trotz eines Urteils des türkischen Verfassungsgerichts von 2022, das eine Verletzung der Eigentumsrechte feststellte, wurden die strittigen Grundstücke demnach bislang nicht an die Stiftung zurückgegeben.
Bei den Bewohnern von Vakifli handelt es sich um Nachkommen von rund 4.000 Armenier, die während des Völkermordes und der Massenvertreibungen armenischer und syrischer Christen 1915 entkamen und am nahe gelegenen Berg Musa Dagh (Mosesberg) Zuflucht fanden. Sie wehrten 53 Tage lang Angriffe der osmanischen Truppen ab, bis die Besatzung eines französischen Kriegsschiffs eine Fahne mit der Aufschrift “Christen in Not: Retten” sah.