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Synode: “Antisemitische Gewalt ist in Deutschland Alltag”

Mit drei Berichten hat sich die Frühjahrssynode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg mit dem Thema Antisemitismus beschäftigt. „Antisemitische Gewalt war und ist in Deutschland Alltag“, sagte Agnes Kübler, Referentin für die Themen Rassismus und Antisemitismus bei der Fach- und Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen. Immer wieder käme es zu tätlichen Angriffen, weshalb sich Juden und Jüdinnen in Deutschland vielfach nicht sicher fühlten.

Der Kampf gegen Antisemitismus verlangt laut Kübler „Wissen, Empathie und vor allem kritische Selbstreflexion“. Anstatt Antisemitismus nur den Anderen zuzuschreiben, sei es nötig, sich weiterhin „mit dem schwierigen Erbe unserer eigenen antijudaistischen Vorstellungswelten“ auseinanderzusetzen.

Jochen Maurer, Pfarrer für das Gespräch zwischen Christen und Juden, forderte dazu auf, „Betroffenheit und Anteilnahme in konkretes Handeln umzumünzen“. Die beste Form der Vorbeugung sei, Wissen zu vermitteln. Am besten geschehe dies in der persönlichen Begegnung. „Wer jüdische Freunde und Freundinnen hat, kann die Gerüchte und Mythen, die Antisemiten in die Welt setzen, als Lügen entlarven.“

Christen und Juden hätten viele Themen gemeinsam: „Jüdische Ethik betont die individuelle Verantwortung des Menschen für sein Leben, für das des Nächsten und für die Gemeinschaft. Ganz so, wie wir das als Christen in der Nachfolge Jesu tun.“ Christen müssten sich ihrer Wurzeln bewusst sein: „Wir erkennen, dass die Sprach- und Gedankenwelt der hebräischen Bibel unablösbar Teil unseres Gottesdienstes, unseres Erbes ist. Wir verstehen heute besser, dass das Neue Testament in spannender Weise Teil der jüdischen Welt der Antike ist.“

Der Islambeauftragte der Landeskirche, Friedmann Eißler, sieht die Beziehungen zu Muslimen in einer „schweren Belastungsprobe“. Projekte würden abgebrochen und Friedensgebete abgesagt. An einem Ort zögen sich Juden zurück, an einem anderen Muslime.

Tätliche Gewalt gehe in Deutschland nicht von Juden aus, auch weniger von Rechtsextremen, sondern mehrheitlich von Menschen, die ihre Gewaltakte islamisch begründen oder verbrämen. Instrumentalisiert werde die Lage sowohl von denen, die islamistischen Hass auf „den Westen“ und auf Juden verharmlosen, als auch von denen, die suggerierten, ohne Migranten und Muslime gäbe es in Deutschland keinen Antisemitismus.

Das Leid von Menschen, so Eißler, sei nicht auf der einen Seite mehr und auf der anderen weniger schlimm. „Jedes gewaltsame Sterben ist zu viel. Wir wollen nicht Opfer und Gewalt aufrechnen – und doch klarer sehen, wo Unrecht ist und was dem Frieden dienen könnte.“ Dazu brauche es größere Klarheit über historische und aktuelle Fakten und weiterhin offene Gespräche: „Dranbleiben! Abbrüche in den Beziehungen spielen ausschließlich Fundamentalisten und Radikalen in die Hände.“ (0597/16.03.2024)