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EKD diskutiert über Lehren aus Kurschus-Rücktritt

Die unterbrochene EKD-Synode geht weiter. Und die neue Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs macht klar: Nach dem Kurschus-Rücktritt sind die leitenden Gremien verunsichert.

Die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs verurteilt den iranischen Angriff auf Israel
Die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs verurteilt den iranischen Angriff auf Israelepd-bild / Heike Lyding

Der Rücktritt ihrer Ratsvorsitzenden Annette Kurschus sorgt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Diskussionen über den künftigen Umgang mit Vorwürfen im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt. „Es geht um Vertrauen und um Glaubwürdigkeit“, sagte die Hamburger Bischöfin Fehrs bei einer digitalen Sitzung der EKD-Synode. „Da liegt noch ein gutes Stück Weg vor uns. Und diesen Weg gilt es nun mit Übersicht, mit Klarheit und mit Feingefühl zu gehen“, sagte die bisherige Stellvertreterin der Ratsvorsitzenden.

Annette Kurschus war am 20. November vom EKD-Ratsvorsitz und als Präses der westfälischen Kirche zurückgetreten. Ihr wird vorgeworfen, mit einem mutmaßlichen Fall sexualisierter Gewalt nicht ausreichend transparent umgegangen zu sein. Der Fall reicht in die 90er Jahre zurück, Beschuldigter ist ein ehemaliger Kirchenmitarbeiter aus Kurschus’ früherem Arbeitsumfeld in Siegen, den sie laut eigener Aussage sehr gut kennt. Er soll junge Männer sexuell bedrängt haben.

Synode wegen Bahnstreiks unterbrochen

Die Siegener Zeitung hatte unmittelbar vor und während der EKD-Synodentagung Mitte November in Ulm darüber berichtet. Die EKD-Jahrestagung war wegen des bundesweiten Bahnstreiks am Morgen des 15. November unterbrochen worden und sollte am Dienstag digital abgeschlossen werden.

Fehrs sprach von einer „geradlinigen und konsequenten Entscheidung“ Kurschus’ zum Rücktritt. Davor habe sie „echte Hochachtung“. Sie empfinde es als schmerzhaft, dass der Umgang mit den Ereignissen in Siegen zum Rücktritt geführt hat.

„Für mich kommt es jetzt darauf an, verlorenes Vertrauen wieder herzustellen“, sagte Fehrs. In der vergangenen Woche habe es intensive Beratungen mit den Betroffenen-Vertretern im EKD-Beteiligungsform Sexualisierte Gewalt gegeben. Mit leitenden Geistlichen, Vertretern der Landeskirchen und Ratsmitgliedern seien Treffen geplant. Zudem bot Fehrs an, den synodalen Gruppen für Gespräche zur Verfügung zu stehen.

“Anfeindungen” waren beschämend

Dass Betroffenen-Vertreter in den Auseinandersetzungen um den Rücktritt von Kurschus „enormem Druck“ und „Anfeindungen“ ausgesetzt worden seien, empfinde sie als beschämend. Der Rat der EKD werde „mit aller Konsequenz“ den eingeschlagenen Weg bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt fortsetzen. Dabei gehe es um eine „klare Ausrichtung auf Betroffene“ und darum, Grenzverletzungen und Gewalt in der Kirche zu verhindern sowie Vorfälle aufzuklären.

Mehrere Synodale sagten in der Aussprache am Dienstag, sie seien „überrumpelt“ worden von dem Vorgang. Eine konsequente Krisenkommunikation hätte ein anderes Handeln ermöglicht, sagte die Leiterin der Evangelischen Akademie in Berlin, Friederike Krippner. Die badische Landesbischöfin Heike Springhart adressierte konkret den Rat der EKD. Sie hätte erwartet, dass der Rat zunächst auf eine Klärung dringe. Das Problem werde nicht dadurch gelöst, „dass Einzelne von uns zum Rücktritt gedrängt werden“.

“Der Rat wurde überrumpelt”

Ratsmitglied Jacob Joussen sagte, der Rat sei von den Informationen genauso überrumpelt gewesen. Er ergänzte, er habe nur wenige Tage vor der Synode „Gerüchte“ gehört und selbst durch die „Siegener Zeitung“ erst mehr erfahren. Kurschus wusste nach eigenen Worten seit dem Frühjahr durch eine Anzeige von den Vorwürfen gegen den Beschuldigten.

Andere Redner problematisierten, dass Kurschus in ihrer Stellungnahme den Medienberichten widersprach, die auf Schilderungen Betroffener beruhten. Es gehe um die Glaubwürdigkeit der Kirche und die Frage, ob sie der Ort sei, an dem Betroffenen geglaubt werde, sagte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne), die der Synode angehört. Deswegen habe es keine andere Möglichkeit als den Rücktritt gegeben, den sie persönlich bedauere.

Präses Heinrich: EKD muss Lehren ziehen

Nach den Worten der Präses Anna-Nicole Heinrichmuss die EKD Lehren aus dem Rücktritt der früheren Ratsvorsitzenden Annette Kurschus ziehen. Das Thema der sexualisierten Gewalt werde „uns immer wieder mit Widersprüchen konfrontieren und an institutionelle und persönliche Grenzen führen“, sagte Heinrich während ihrer Eröffnungsrede. Man werde einen Weg finden müssen, „mit möglichen Vorwürfen dieser Art angemessen umzugehen“, sagte sie und fügte hinzu: „Das wird nicht einfach.“

Die Präses der Synode ging auf Vorwürfe ein, Kurschus habe in den Leitungsgremien der evangelischen Kirche nicht genügend Rückhalt erfahren. Sie bedauere es, wenn bei manchen Personen der Eindruck entstanden sei, „die Synode, der Rat der EKD oder ich selbst haben sich unzureichend solidarisch mit Annette Kurschus gezeigt“, sagte Heinrich. Für sie sei eine Atmosphäre des Vertrauens und der Ehrlichkeit wichtig. Heinrich betonte die Bedeutung der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche. Für sie sei dabei „handlungsleitend, dass betroffene Personen und die Aufarbeitung an erster Stelle stehen müssen“.