Der liberale jüdische Rabbiner Gábor Lengyel (82) hat in Leipzig den internationalen Preis der Lutherischen Europäischen Kommission Kirche und Judentum erhalten. Mit dem Preis würdigte die Kommission das langjährige Engagement des hannoverschen Rabbiners im christlich-jüdischen Gespräch. „Er nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er Widerspruch für angezeigt hält“, sagte die Beauftragte für Kirche und Judentum der evangelischen Landeskirche Hannovers, Ursula Rudnick, laut Redemanuskript in ihrer Laudatio.
Auch als regelmäßiger Teilnehmer der Konferenzen der Kommission betone Lengyel immer wieder Kernbegriffe der jüdischen Tradition, sagte Rudnick: die Aufforderung zur Erinnerung (Sachor) und das Leben in der Hoffnung (Tikwa). Dabei lebe er diese Prinzipien, indem er an die jüdische Geschichte erinnere und diese weitergebe. Von seiner Tikwa wiederum zeugten Lengyels interreligiöses sowie sein politisches Engagement, etwa wenn er dazu auffordere, die Regierungspolitik des Staates Israel zu kritisieren. Stets erweise er sich als „ein wahrhaft liberaler Rabbiner“, der vielfältige Perspektiven vorstelle und die Hörer zum eigenen Denken einlade.
Mutter von Nazis verschleppt
Gábor Lengyel wurde 1941 in Budapest als Sohn einer orthodoxen jüdischen Familie geboren. Seine Mutter wurde während des Holocaust verschleppt und ermordet. 1956 wanderte Lengyel nach Israel aus, 1965 kam er nach Braunschweig. Dort engagierte er sich unter anderem in der jüdischen Gemeinde sowie in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.
Nach dem Ende seiner Berufstätigkeit als Ingenieur ließ sich Lengyel zum Rabbiner ausbilden. 2009 wurde er ordiniert und übernahm als Rabbiner Aufgaben in den liberalen jüdischen Gemeinden in Hannover und in Göttingen, später auch in Hamburg. Im November 2022 wurde Lengyel mit dem Verdienstorden des Landes Niedersachsen geehrt.
Der 1976 in Dänemark gegründeten Lutherischen Europäischen Kommission Kirche und Judentum gehören nach eigenen Angaben Delegierte aus mehr als zwanzig lutherischen Kirchen Europas an. Ständige Gäste sind unter anderem Vertreter des Lutherischen Weltbundes sowie der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELCA).